Eine Flucht und ihre Folgen
Rezensionen / 22. Januar 2019

Viveca Sten hat mit ihren Krimis um den Kriminaler Thomas Andreasson und die Juristin Nora Linde die Schären auf die literarische Landkarte gesetzt. Auch im neunten Fall der schwedischen Bestseller-Autorin spielen die Inselchen eine Hauptrolle, und wieder wird Stens Liebe zu den Schären spürbar – die Familie besitzt seit mehreren Generationen ein Haus auf Sandhamn, dort wo auch Nora wohnt und sich in der Abgeschiedenheit in Sicherheit wähnt. Eine geprügelte Frau, ein traumatisierter Mann Der neue Fall beweist, dass unsere Welt nirgends sicher ist. Denn der brutale Andreis Kovac ist seiner in ein Frauenhaus geflüchteten Frau immer auf der Spur. Mina hat ihn verlassen, weil er sie fast totgeschlagen hat – und sie hat ihr Baby Lukas mitgenommen. Für den gebürtigen Bosnier Andreis, dem die Familie nach den eigenen schrecklichen Erfahrungen im Bosnien-Krieg über alles geht, unverzeihlich. Womöglich haben die Kriegsereignisse Andreis erst zu dem gemacht, der er ist. Das allerdings ändert nichts daran, dass der Mann gefährlich ist – nicht nur für Mina, sondern für alle, die mit ihr zu tun haben. Viveca Sten verschränkt Andreis‘ wütende Verfolgungsjagd mit seiner bosnischen Vergangenheit. In dem Roman treibt beides auf einen unvermeidlichen und grausamen Höhepunkt zu, das macht die Spannung im…

Korea: Mehr als Kimchi & Co
Rezensionen / 22. Januar 2019

Ihre „ganz persönliche Korea Reise“ will Sarah Henke mit den Lesern teilen. Ihr reich illustriertes Buch ist denn auch kein Reiseführer der üblichen Art, sondern eher eine Art sehr persönliches Tagebuch, in dem die „als Findelkind in Korea geborene“ Autorin die Leser unmittelbar teilhaben lässt an ihren Eindrücken und Erfahrungen. „Es ist ein eigenartiges Gefühl unter Menschen zu sein, die so aussehen wie ich und doch irgendwie anders sind,“ stellt sie auf der Reise fest, die sie durch ein Land führt, das ihr fremd und doch seltsam vertraut ist. Das Essen spielt bei der Sterneköchin eine große Rolle Manches verwundert sie wie die Tatsache, dass die meisten Taxis in Seoul mit Gas fahren oder dass auf einem Speiseplan noch „Hundesuppe“ steht. Anderes nimmt sie erfreut zur Kenntnis: Die vielen Arten von Kimchi etwa, dem fermentierten Kohl. Oder die Tatsache, dass die Koreaner gerne in Gemeinschaft essen und teilen, besonders gerne beim Picknick. Weil Sarah Henke Köchin ist, spielt das Essen natürlich eine große Rolle, und der Hauptteil des Buches widmet sich den Rezepten, die sie besonders interessant und authentisch fand – ein zweiter Teil gibt einen Einblick in Henkes eigene Rezeptwelt. Schließlich hat sich die Reise zu den eigenen Wurzeln…

Lehrstunde in Toleranz
Rezensionen / 6. Januar 2019

Eine schöne Idee hat Jan Kammann da gehabt. Als Lehrer für Englisch und Erdkunde in internationalen Vorbereitungsklassen unterrichtet der knapp 40-Jährige Schüler aus über 20 Nationen. Weil er mehr über die kulturellen Hintergründe seiner Schüler wissen wollte, nahm er sich ein Sabbatjahr und bereiste die Heimatländer seiner 10d. Nicht mit einem kommerziellen Reiseführer, sondern mit ganz persönlichen Anleitungen und Tipps seiner Schüler für ihre jeweiligen Herkunftsländer. Er nimmt das Klassenzimmer quasi mit auf die Reise. Mongolische Gastfreundschaft und mörderischer Roadtrip Und so taucht der Lehrer ein in den Alltag der Menschen im Iran, im Kosovo oder auf Kuba, besucht Armenviertel in Kolumbien, erlebt mongolische Gastfreundschaft in der Jurte, einen mörderischen Roadtrip in Armenien und begegnet der Hölle in der Taxic City von Accra, wo Elektroschrott ausgeweidet wird. Das Leid der Arbeiter lässt Kammann nicht kalt: „Die Minister in Accra haben diese offene Wunde ihrer Stadt ständig vor Augen. Jeder über sein Bier gebeugt, fragen wir uns mehr oder weniger sprachlos, in was für einer Welt wir eigentlich leben. Eine Antwort finden wir nicht.“ Andere Kulturen, anderes Leben Auch sonst fallen Antworten nicht immer leicht. Und immer dann, wenn er befremdet ist von den Sitten und Gebräuchen im Gastland, denkt er…

Zwischen Krieg und Frieden
Rezensionen / 6. Januar 2019

Dass der schreibende Volljurist J. R. Bechtle im Rheinland geboren wurde und heute in San Francisco lebt, schlägt sich auch in seinem Roman  „Burgkinder“ nieder, der den Bogen vom Kriegsende in Deutschland bis ins Silicon Valley schlägt. In der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit kreuzen sich die Wege der deutschen Schriftstellerfamilie Fürst und der jüdisch-amerikanischen Unternehmerfamilie Wiseman mehrfach auf schicksalhafte Weise – bis sich mit einem reichlich konstruierten Ende der Kreis schließt. Ein halbes Jahrhundert Familiengeschichte Burgkinder ist eine spannende Familiensaga, die ein halbes Jahrhundert umspannt. Eine Geschichte auch von Hochmut und tiefem Fall, von kleinen Leuten mit großem Herzen, von Helden wider Willen und von ewig Gestrigen. Bechtle schreibt aus unterschiedlichen Perspektiven, überspringt Jahrzehnte und bringt nach einem halben Jahrhundert die Protagonisten des Anfangs noch einmal auf der Burg zusammen, auf der alles seinen Ausgang nahm. Schade nur, dass den Personen die Tiefe fehlt, zu holzschnittartig sind die Charaktere, um ihnen wirklich nahe zu kommen. Ein Fehltritt reicht für ein ganzes Leben Da ist Erika, die Frau, die ohne Skrupel zuerst mit einem SS-Mann und dann mit dem amerikanischen Leutnant schläft, die ihrem heimgekehrten Drogen abhängigen Mann den goldenen Schuss setzt und sich danach durch eine neue Heirat saniert. Und da…

Das Pathos des Krieges
Rezensionen / 6. Januar 2019

Nino Haratischwili neigt zu ausuferndem Erzählen. Das war schon bei ihrem Erfolgsroman „Das achte Leben (für Brilka) so, und es ist bei ihrem vierten Roman nicht anders. „Die Katze und der General“ ist eine ebenso opulente wie verwirrende Geschichte über Krieg und Frieden, Schuld und Sühne. Dass die Autorin, 1983 im georgischen Tblissi geboren und seit 2003 in Hamburg lebend, in ihren „eigenen Textbergen strauchelt“, wie die Zeit schrieb, erklärt sich teilweise aus dem Kulturkreis, aus dem sie stammt. Pirouettenhafte  Wandlungen In Georgien wird gerne fabuliert, überbordend und oft auch überzeichnet. Und diese exzessive Fabulierfreude prägt auch Haratischwilis Erzähl-Duktus. Dass ihr manche Metapher misslingt, dass sie sich hin und wieder stilistisch verstolpert, ist vor diesem Hintergrund eher zweitrangig. Einige abgedroschene Phrasen allerdings hätte das Lektorat durchaus eliminieren können. Dass die Berge den Atem anhalten, die Wanduhr sich zur Zeitbombe wandelt und das Herz Marathon läuft – geschenkt. Schwieriger zu verkraften ist die Tatsache, dass die handelnden Figuren schier pirouettenhafte Wandlungen vollziehen. Eine Tote wird zum Zentrum der Geschichte Der Roman beginnt 1994 in einem kleinen tschetschenischen Bergdorf, wo die 17-jährigen Nura sich in ein anderes Leben träumt. Der Krieg macht den Träumen und Nuras Leben ein Ende. Russische Soldaten vergewaltigen…

Das Leben ist kein (Glücks)Spiel
Rezensionen / 6. Januar 2019

  Das Leben war schon schwer im von den Japanern besetzten Korea, in Japan selbst wird es manchmal unerträglich, ja, es kann sogar tödlich enden für die „Zainichi“, die Ausländer mit Wohnsitz in Japan – und speziell für die Koreaner. Sie sind geduldet aber verachtet, leben meist in Gettos und haben kaum Rechte. Ja, sie werden sogar gezwungen, einen japanisierten Namen anzunehmen, damit sie nicht abgeschoben werden. Nur für Schweine und Koreaner Für Sunja, die aus ärmsten Verhältnissen stammt und von dem reichen koreanischen „Geschäftsmann“ Hansu ein Kind erwartet, ist das neue Leben ein Kulturschock. Isak, ein engagierter Pastor, hat sie trotz der Schwangerschaft zur Frau genommen, und die beiden wohnen bei Isaks Bruder Yoseb und dessen Frau in ärmsten Verhältnissen: „Die Gegend taugt nur für Schweine und Koreaner,“ erklärt Yoseb den Neuankömmlingen. Noa, der Sohn, wird von Isak im christlichen Glauben erzogen, er ist ein fleißiges, ruhiges Kind. Als dann noch der gemeinsame Sohn Mozasu geboren wird, scheint das Glück der kleinen Familie trotz der trostlosen Umgebung vollkommen. Ein Leben am Rand der Gesellschaft Doch dann wird Isak von den japanischen Behörden, denen die Christen aus Korea ein Dorn im Auge sind, verhaftet. Sunja muss sich und ihre Kinder…

Der alte Baum und die Hoffnung
Rezensionen / 1. Dezember 2018

Natürlich ist das ein Märchen. Denn Bäume können nicht sprechen. Aber fühlen schon. Und deshalb ist dieses Buch so wichtig, weil es teilhaben lässt an den Gefühlen eines von der Fällung bedrohten Baums. Rot heißt dieser Baum, und seit langer Zeit schon ist er der Baum der Wünsche.  Einmal im Jahr kommen Alte und Junge, um ihre Wünsche an Rots Zweige zu hängen. Eine Heimat für viele Tiere Dann verstecken sich die Tiere, die sich in Rots Zweigen und Wurzeln wohnhaft eingerichtet haben; die Waschbären und die Stinktiere, die Beutelratten und die Eulen. Nur die Rabenfrau Bongo harrt aus. Bongo ist Rots beste Freundin.  Auch der Baum der Wünsche braucht nämlich Freunde. Rot weiß das: „Man verbringt seine Zeit sinnvoll, wenn man anderen ein Gefühl der Sicherheit gibt,“ sagt der Baum und freut sich, wenn die Tierkinder auf ihm herumklettern. Ungeliebte Nachbarn Und da ist auch noch Samar, das türkische Mädchen, das vor kurzem mit ihren Eltern in eines der Häuser gezogen ist, in deren Gärten Rot seine Wurzeln ausstreckt. Die Familie im Nebenhaus reagiert eher feindselig auf die Neuankömmlinge – bis auf den Sohn Stephen. Und ein Junge ritzt gar „Geh weg“ in den Baum der Wünsche, eine Wunde…

Rollentausch auf Reisen
Rezensionen / 1. Dezember 2018

Jules Verne ließ seinen Phileas Fogg in 80 Tagen die Welt umrunden: Tobi und Alexandra schaffen das in 8 Tagen.  Und das kam so:  Ausgerechnet Alexandra, die Tobi nicht nur als Torwart, sondern auch bei den Schulnoten aussticht, bietet ihm eine Wetter an.  Sie würden in 8 Tagen um die Welt reisen  – mit den Freimeilen ihres Vaters und dessen Kreditkarte. Und Tobi lässt sich das Abenteuer nicht entgehen. Erste Lektionen über das Fliegen Ein Abenteuer wird Tobis erste Flugreise dann tatsächlich, Tobi lernt Flughäfen kennen und allerhand über das Fliegen. Da erweist sich Alexandra, Tochter eines Flugkapitäns und einer Flugbegleiterin als versierte Vielfliegerin.  Sie weiß auch, dass man auf Flughäfen keine Päckchen von fremden Personen annimmt,  auch wenn die noch so sympathisch wirken.  Und Tobi staunt und staunt.  Sogar in der Business fliegen die beiden zwischendurch.  Aber dann geht doch einiges schief, die beiden stranden auf den Azoren – ohne Kreditkarte und ohne Flieger. Jetzt wird Tobi zum Helden Und plötzlich wird Tobi zum Helden.  Er entdeckt die Macht von Social Media: „An den Likes konnte man sehen, dass die Delfine die Besucherzahlen meines Blogs noch einmal in die Höhe getrieben hatten. Delfine waren scheinbar noch besser als katzenfotos,…

Im Gefühlslabyrinth
Rezensionen / 1. Dezember 2018

Gefühle sind flüchtig und manchmal auch schwer nachvollziehbar. Eben ist man noch total verliebt und voller Optimismus, was die Partnerschaft angeht. Und im nächsten Moment überkommen einen Zweifel, ob der Partner wirklich der richtige ist. Dann stört selbst das, was man sonst charmant oder liebenswert findet. Kurz, man hat  gemischte Gefühle. So heißt auch der Roman von Katherine Heiny, in dem sie mit Pinzette und Skalpell die Beziehung von Graham und Audra seziert, die durch den leicht autistischen Sohn Matthew nicht ganz einfach ist.  Wie auf einem anderen Planeten Heiny erzählt aus der Perspektive von Graham, der eigentlich ganz zufrieden ist mit seinem Familienleben. Aber eben nur eigentlich. Audra ist Grahams zweite Frau und 15 Jahre jünger. Manchmal hat er das Gefühl, sie lebe auf einem anderen Planeten. Trotzdem oder gerade deshalb liebt er Audra. Schließlich verbindet die beiden nicht nur das gemeinsame Leben, sondern auch die gemeinsame Sorge um Matthew. Doch als Graham entdeckt, dass Audra ein Leben außerhalb ihrer Ehe hat und als Elspeth, Grahams erste Frau, wieder Zugang zu seiner Welt findet, gerät Grahams Gefühlsleben völlig durcheinander,  gemischte Gefühle eben: „Er musste dran denken, dass Audra ein Satinnachthemd trug und Elspeth ein Tank Top und eine Pyjama-Hose…

Hauptsache Draußen
Rezensionen / 1. Dezember 2018

Bewundernswert ist die Leistung von Christine Thürmer schon, auch wenn die 12 000 Kilometer Abenteuer in Europa, die sie in dem Buch „Wandern, Radeln, Paddeln“ beschreibt, nicht unbedingt zum Nachahmen einladen. Denn die Autorin, die 2007 ihr normales Leben als Geschäftsführerin aufgegeben hat, um auf den amerikanischen Trails unterwegs zu sein, ist für ihre „Outdoor-Karriere“ als moderne Nomadin mit minimalistischem Gepäck unterwegs – Zahnbürste ja, Kamm nein. Hab und Gut  in einer Lagerbox Ihr ganzes Hab und Gut, das meiste Outdoor-Equipment, passt in eine Lagerbox. Auch die meisten ihrer neuen Freunde sind Outdoor-Freaks wie sie, die sich auch von Sturzregen und Stürmen nicht abschrecken lassen. Beides erlebt Christine Thürmer auf ihrer Wanderung von Berlin zum südlichsten Punkt Europas ebenso wie bei ihrer Radreise durch Polen und das Baltikum nach Finnland und bei ihrer Paddeltour durch Schweden. In Europa ist manches anders Bald stellt sie fest, dass in Europa so manches anders ist als in den USA: „In jeder größeren Stadt stoße ich hier auf irgendein Schloss oder Museum und mindestens ein halbes Dutzend interessante Kirchen und Baudenkmäler. Und damit wird es zeitlich eng.“ Also plant Christine Thürmer mehr Zeit zum Sightseeing ein. Gar nicht so einfach, wenn sie entweder verschwitzt…