Der Tod im Kinderformat

4. Februar 2022

Wer will schon dem Tod begegnen – auch wenn er noch so klein und frech sein sollte? Samuel hat keine Wahl, sein Immunsystem ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Deshalb fühlt er sich im Krankenhaus am wohlsten. Denn da, abgeschottet von allem, was im Alltag ansteckend sein könnte, glaubt er sich sicher. Deshalb hört es sich für ihn wie eine Drohung an, dass er nach einer Stammzellentherapie nach Hause dürfte. Auf ihn könnte „ein normales Leben“ warten, sagt der Arzt.

Angst vor Ansteckung

Doch was Samuels Eltern Lisbeth und Rudi freut, muss der Elfjährige erst verkraften.  Und zu Hause macht Samuel zunächst so weiter wie im Krankenhaus. Er baut sein Zimmer zu einer Art Bunker um, munitioniert sich mit Desinfektionsspray-Dosen und einem Erste-Hilfe-Koffer, geht nicht ohne Helm und Schutzanzug aus dem Haus und meidet Kinder. Denn die sind seiner Meinung nach lebensgefährlich.

Begegnung mit dem Tod

Für die Eltern ist das Zusammenleben eine einzige Enttäuschung. Sie haben zwar ihren Sohn wieder, aber er nimmt nicht an ihrem Leben teil. Im Gegenteil, die Eltern streiten darüber, wie sie mit Samuels Schrullen umgehen sollen. Denn der Junge hat ja allen Grund, ängstlich zu sein: „Genau sieben Mal wäre ich fast gestorben. Fünfmal an einer Lungenentzündung. Zweimal an einer inneren Blutung. – Und einmal habe ich ihn gesehen. Den Tod. Ich weiß, es war nur ein Traum. Nie zuvor hatte ich solche Angst.“

Der tote Freund

Damals hat ihn sein Freund Tobi gerettet. Doch dann ist Tobi gestorben – und Samuel fühlt sich allein gelassen. Allein mit dem Karabinerhaken des toten Freundes und dem Versprechen, auf einen Berg zu klettern.

Und dann kommt Frida

Die Idee scheint absurd weit weg, weil Samuel ja nichts unternimmt, um an einem normalen Leben teilzuhaben – bis, ja bis Frida auftaucht. Ein Wirbelwind mit schwarzen Locken, einem schwarzen Umhang, der sie unsichtbar machen kann und einer Sense. Denn Frida ist der kleine Tod, vom Chef persönlich geschickt, um zu lernen wie es ist, ein Mensch zu sein. Und das tut sie mit großem Eifer, wobei sie reichlich Verwirrung stiftet. Und Samuel fast in den Wahnsinn treibt.

Heilsame Missverständnisse

Denn bei ihrem Auftrag hat Frida wohl einiges missverstanden. Am liebsten würde sie Samuel gleich mitnehmen zum Großen Tod, und so überlegt sie hin und her, wie sie es am besten anstellen könnte, den Elfjährigen ums Leben zu bringen. Dass sie dabei Samuel zurück ins Leben schubst, nimmt sie in Kauf. Jedenfalls findet der Junge dank Fridas Aktivitäten neue Freunde und Lust am Abenteuer. Aus dem kränkelnden Schwächling wird ein mutiger Kerl, der sogar Frida als Freundin akzeptieren kann.

Tod und Leben

Bis es soweit ist, kann Samuel noch viel berichten über lustige Missverständnisse und Fridas Frechheiten. Und Frida kann jede Menge neue Erfahrungen in ihr Büchlein schreiben und dabei immer menschlicher werden. Anne Gröger hat mit dem Buch „Hey, ich bin der kleine Tod“ ein schwieriges Thema angepackt – mit ungewohnter Leichtigkeit. Eine Leichtigkeit, die auch die Illustrationen von Fréderic Bertrand auszeichnet. Fridas Frechheiten und Samuels Schrullen lassen den Tod auf Kindergröße schrumpfen und machen die Angst vor dem Sterben zu einem Teil des Lebens.

Hineingelesen…

… in Fridas Gedanken 

Langeweile.
Der große Tod hat gesagt, als Mensch kann man viele spannende Sachen machen: über eine Wiese rennen, im Wasser schwimmen, Eis essen, lachen, bis man in die Hosen macht (ich weiß, das geht auch ohne Lachen). Aber von Langeweile hat er nichts gesagt. Langeweile ist, wenn man eine lange Weile nur dasitzt und guckt und sonst nichts macht. Man kann auch liegen oder stehen oder die Augen zumachen. Es passiert trotzdem nichts. Langeweile ist sehr schlimm. Man hat da keinen Spaß. Und vor allem ist es überhaupt nicht gefährlich. Ich weiß gar nicht, warum man sagt: „todlangweilig“. Mit dem großen Tod war mir noch nie langweilig. Gestorben wird immer.

Info Anne Gröger. Hey, ich bin der kleine Tod, dtv, 203 S., 13 Euro, ab 10

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