Dit is Balin

25. Juni 2020

Sie sind beide keine Ur-Berliner, aber der Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und der Kolumnist Harald Martenstein leben schon lange in und von Berlin. Schließlich versorgt sie die Stadt immer wieder aufs Neue mit Inspirationen und Irritationen. Ein Großteil davon ist in die 13 Kapitel des gemeinsamen Buches eingeflossen, und die beiden Autoren halten mit ihrem Frust über die deutsche Hauptstadt nicht hinterm Berg: „Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Wartezeiten beim Bürgeramt länger, die Schulen maroder, die Baustellen chaotischer, die Verantwortlichkeiten verworrener.“

Der Flughafen, der immer fertiger wurde

Die Geschichte mit dem BER, dem Flughafen, der immer fertiger wurde und in diesem Jahr vielleicht sogar wirklich fertig, kennt jede und jeder. Aber die beiden Journalisten haben auch noch ein paar andere Beispiele für Berliner Bauskandale auf Lager, erzählen von korrupten Politikern und betrügerischen Unternehmern, von Tricksereien und Betrug und vom Langmut der Berliner, die sich mit all den Skandalen und Unzulänglichkeiten ihrer Stadt scheinbar abgefunden haben – auch mit den Auswüchsen eines kaum zu bändigenden Tourismus. „Berlin bleibt anders“ behauptet die Stadt, und die Autoren fragen sich, „was ist hier anders? Okay, in Berlin ist der Tiergarten ein Park, der Tierpark ein Zoo und der Zoo ein Bahnhof.“

Berlin ist die Heimat der Heimatlosen

Und sonst? „Berlin ist die Heimat der Heimatlosen“ urteilen die Insider und zählen die Fundamente auf, auf denen die Attraktivität der Stadt fußt: „Das einmalige Kulturangebot, das zauberhafte Umland mit seinen vielen Seen, die wunderbaren Altbauwohnungen, inzwischen teuer, aber immer noch billiger als Paris oder London, das Nachtleben, die intellektuelle Offenheit,das Flair aus ganz Europa, die Aura“. Vielleicht gehört auch die Berliner Schnauze dazu, die „wie ein Weltkulturerbe von Generation zu Generation weitergetragen“ wird und für die Berliner Bus- und Taxifahrer berühmt sind.

Weltstadt mit Ecken und Kanten

In 13 Kapiteln mäandern die beiden Autoren durch den Berliner Alltag, stranden an chaotischen Ordnungsämtern und bemitleiden resignierende Ordnungshüter, zitieren Obdachlose und Immobilienhaie, Grünen-Politiker und Schauspieler und immer wieder gern auch den Tagesspiegel. So entsteht das Porträt einer Stadt, die eigentlich aus vielen Dörfern, sprich Bezirken, besteht, die wenig miteinander zu tun haben (wollen). Einer Stadt, die auch im Scheitern unvergleichlich ist. Kurz, einer Weltstadt mit Ecken und Kanten.
Info: Harald Martenstein/Lorenz Maroldt. Berlin in 100 Kapiteln … von denen leider nur 13 fertig wurden, Ullstein, 288 S., 19,99 Euro

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