Ist das das Buch zum 80. Geburtstag? Am 17. September kann Reinhold Messner seinen runden Geburtstag feiern. Am 29. August ist „Gegenwind“ im Malik Verlag erschienen, ein Buch, das „vom Wachsen an Widerständen“ erzählt. Und Widerstände hatte der Südtiroler sein Leben lang, ist er doch privat und beruflich eher kompromisslos. „Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will“ – so auch der Titel seiner ersten Biographie – begleitete ihn bei all seinen Unternehmen – ob an den Achttausendern dieser Welt oder bei seinem Museumsprojekt.
Selbstvertrauen durch die Mutter
Parallel dazu erlebte er von Anfang an Widerstände, wurde angefeindete, ausgegrenzt, diffamiert. Dass er daran gewachsen statt gescheitert ist, hat er seiner Mutter zu verdanken, schreibt er. „Sie hat mir das Selbstvertrauen geschenkt, das mich 80 Jahre überleben ließ.“ Und dieses Überleben war nicht immer leicht. Am schwersten wohl am Nanga Parbat, wo der junge Messner seinen Bruder Günther verlor – das Trauma seines Lebens. Denn schnell stand der Vorwurf im Raum, Reinhold Messner habe den geschwächten Bruder seinem eigenen Ehrgeiz geopfert.
Das Schicksal des Bruders
In seinen Büchern versuchte der Autor immer und immer wieder, diesen Vorwurf zu entkräften. Er überwarf sich mit dem Deutschen Alpenverein, stritt sich mit ehemaligen Bergkameraden und Journalisten und kämpfte wortreich gegen eine „Rufmordkampagne“. Erst als Günthers Leiche am Nanga Parbat geborgen werden konnte, gingen den Kritikern die Argumente aus. Nicht aber Reinhold Messner. Er kann diese Katastrophe und ihre Folgen nicht vergessen. Auch in diesem Buch befassen sich große Teile mit Günthers Schicksal und Messners Trauma: Zeitungsartikel, Interviews, Kommentare. Wenige Veröffentlichungen kommen dabei gut weg – auch der Spiegel scheint es sich mit dem selbsternannten Grenzgänger Messner verdorben zu haben.
Einblicke ins Private
Es wird viel zitiert in dem Buch, in dem es auch um das zwiespältige Verhältnis zu seiner Heimat Südtirol geht. Ihr wünscht er eine andere Art von Tourismus – Kulturtourismus. Wer Messner kennt, wird wenig Neues über seine Abenteuer in den Bergen dieser Welt erfahren. Allerdings gibt der bald 80-Jährige einen Einblick in sein Privatleben und gesteht, wie sehr er unter der erzwungenen Trennung von der Familie gelitten hat: „In der Einsamkeit der Berge versuchte ich einen neuen Lebensinhalt zu finden. War es doch mit der Tragödie am Nanga Parbat meine Haltung geworden, Leben und Tod auszuhalten. Ohne Bedauern. Auch haben mich die wenigen Nahtoderfahrungen gelehrt, nicht zurückzuschauen auf das vergangene Leben, sondern das Hier und Jetzt anzunehmen als das einzig Mögliche. So kam es zur Scheidung.“
Die neue Frau
Inzwischen darf man sich ewigen Sisyphos Reinhold Messner als glücklichen Menschen vorstellen. Großen Anteil daran hat seine Frau Diane, die er acht Monate nach dem Bruch mit der Familie kennenlernte. Mit dem Rückhalt durch die 36 Jahre jüngere Frau will er „endlich den Gegenwind von gestern“ vergessen und mit dem Projekt MMH (Messner Mountain Heritage) dem „Geist des traditionellen Alpinismus“ ein bleibendes Denkmal setzen.
Versöhnliche Sätze
Der scharfzüngige Redner und Schreiber Messner ist altersmilde geworden. Versöhnlich klingen die folgenden Sätze: „Ich möchte die Welt nicht zurechtrücken, dass sie in mein Weltbild pass. Ja, ich profitiere vom wirtschaftlichen Aufschwung meiner Jahrzehnte, dem Einsatz vorangegangener Generationen und der Möglichkeit, um die Welt zu reisen für meine Leidenschaft, Abenteuer zu erleben. Ich bin privilegiert, habe im ganzen Leben bisher nur wirtschaftlichen Aufwärtstrend erleben, und jetzt, da es abwärtsgeht in Europa, trete ich ab. Ich bin am Ziel.“
Und zum Schluss ein Rat an alle, die sich im Gegenwind befinden: „Auch bei Sturmwind nach vorne zu schauen, hat mich der Mob gelehrt, wenn er – von den Medien aufgehetzt – hinter mir herkam. Es gilt dabei, das Weite zu suchen, abzuwarten, bis Hetze und Hohn abflauen. Wie am Mount Everest, wenn Jetstream und Monsum aufeinandertreffen. Dann erst gilt es, wieder aufzubrechen und als Luftgänger seinen Frieden zu finden. Im Gegenwind lernte ich abzuheben, in der Windstille zu fliegen.“
Info Reinhold Messner. Gegenwind, Malik, 336 S., 25 Euro
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