Messners Südtirol
Reisebücher , Rezensionen / 20. Juli 2023

Reinhold Messner und Südtirol, das ist eine unendliche Geschichte voller Auf und Ab. Nun hat der vielseitige Ausnahme-Bergsteiger und Grenzgänger eine „Gebrauchsanweisung für Südtirol“ geschrieben. Dabei macht er gleich zu Anfang klar: „Ich habe vor hierzubleiben.“ Liest man das Büchlein bis zum Schluss, könnte man das in Südtirol auch als Drohung empfinden. Kritischer Blick auf Südtirol Denn Reinhold Messner spart nicht mit Kritik an seinen (deutschsprachigen) Landsleuten. Auch wenn er „kein lebenswerteres Fleckchen Erde in Mitteleuropa“ kennt, auch wenn die Dolomiten für ihn die „schönsten Berge der Welt“ sind, hadert er mit der  Politik in Südtirol, mit dem Zeitungsmonopol, als dessen Opfer er sich immer wieder sah. Auch mit Vetternwirtschaft, Besserwisserei, Bigotterie und Selbstherrlichkeit. Die Messner Mountain Museen Als Nestbeschmutzer sieht er sich trotzdem nicht. Schließlich liebt er seine Heimat und hat Südtirol mit den MMM, den Messner Mountain Museen, kultur-historische Sehenswürdigkeiten beschert, die ihresgleichen suchen. Und weil Reinhold Messner sein Licht nicht gern unter den Scheffel stellt, zitiert er sich in diesem Büchlein immer wieder selbst und widmet den Museen und ihren Themen mit „Das Erbe der Berge“ ein eigenes Kapitel. Lektion in Geschichte Aber es wäre unfair, diese Gebrauchsanweisung nur auf Reinhold Messner, seine Museen und Bergbauernhöfe zu…

Fingerzeit im Reschensee
Rezensionen / 3. August 2020

Der Mailänder Marco Balzano ist einer der erfolgreichsten italienischen Autoren. Sein Roman „Das Leben wartet nicht“ wurde mit dem Premio Campiello ausgezeichnet. Mit seinem neuen Buch „Ich bleibe hier“ hat sich der 42-jährige Italiener Südtirol zugewandt. Der aus dem Reschensee aufragende Kirchturm, der für viele Touristen einen Fotostopp wert ist, hat Bolzano nachhaltig beeindruckt und zu einem Roman inspiriert, der mehr noch als eine berührende Familiensaga eine Lektion in europäischer Geschichte ist. Ein Ort, den es nicht mehr gibt „Ich hatte die Idee, das hervorzuholen, was im Wasser versunken ist“, schreibt der Autor in seinen Anmerkungen. Versunken ist das Bergdorf Graun, in dem die junge Lehrerin Trina vor dem Zweiten Weltkrieg lebt – unter erschwerten Bedingungen. Die Ich-Erzählerin Trina beschreibt die Probleme in Aufzeichnungen für ihre Tochter Marica, die Graun und der Familie den Rücken gekehrt hat: „Ich werde dir berichten, was sich hier in Graun abgespielt hat. An dem Ort, den es nicht mehr gibt.“ Die Geschichte von der Option Trinas Schwägerin und ihr Mann hatten Marcia bei Nacht und Nebel mit nach Deutschland genommen. Sie gehörten 1939 zu den sogenannten Optanten. Das waren Südtiroler, die sich für die Auswanderung ins „Deutsche Reich“ entschieden hatten. Trina und ihre Familie…

Luca d’Andrea: Südtiroler Abgründe
Rezensionen / 8. Oktober 2019

„Meine Hauptinspirationsquelle sind meine Mitmenschen“, sagt der in Bozen geborene Thriller-Autor Luca d‘Andrea, der wie kein anderer Südtiroler Abgründe auslotet. Auch in seinem neuen Roman „Der Wanderer“ konfrontiert der Erfolgsautor die Leser mit dörflicher Beschränktheit, Liebe, Hass und Wahnsinn. Es geht um Mütter und Töchter, Väter und Söhne, gestörte Familien und skrupellos zementierte Machtverhältnisse. Alles andere als ein Bilderbuchsee Vor allem aber geht es um eine junge Frau, die vor langer Zeit  ermordet an einem abgelegenen Bergsee gefunden wurde und deren Tod nie aufgeklärt wurde.  „Es war kein Bilderbuchsee. Kein Vergleich mit den Alpenseen, die der Traum eines jeden Fotografen waren. Der See von Kreuzwirt war alles andere als eine Augenweide. Er ähnelte eher einem Tümpel mit ausgefransten Rändern. Als wenn Gott an dem Tage, an dem er ihn schuf, in Eile gewesen wäre.“ Scheinbare Idylle Ein Foto, das sie im Briefkasten findet, ruft der Tochter Sybille die tote Mutter ins Gedächtnis und lässt ihr keine Ruhe mehr. Zusammen mit dem Schriftsteller und damaligen Lokaljournalisten Tony versucht sie herauszufinden, was wirklich geschehen ist mit der „narrischen Erika“, wie die Dörfler die Frau nannten, die aus Tarotkarten die Zukunft las und die so gar nicht in die verschworene Gemeinschaft des nur…