Reise in die Nacht

21. September 2023

Der Titel ist eher irreführend, denn eigentlich beginnt Bernadette Olderdissen in ihrem Buch mit der tiefsten Nacht und nicht mit dem ewigen Sommer. Wie auch immer, die Reisejournalistin hat sich in Lappland und seine Bewohner verliebt. So sehr, dass sie den abgelegenen Norden zur zweiten Heimat erkoren hat.

Eisbad und Blutpfannkuchen

In ihrem Buch nimmt sie die Lesenden mit zu den indigenen Samen, zu Rentierzüchtern, Fischern und Jägern und lässt sie teilhaben an den Bräuchen und Festen. Um das alles intensiv mitzuerleben, hat sich Bernadette Olderdissen einiges zugemutet, hat sich durch tiefsten Schnee gequält und sogar in eine Eisbad gewagt. Sie hat Fische selbst ausgenommen und Blutpfannkuchen verspeist. Und dabei viel gelernt: „Mein Lapplandjahr beweist mir immer wieder, dass ich mich an fast alles gewöhne. An ein Haus ohne fließendes Wasser. An ewige Nacht und ewigen Tag. An Rentierblut und -organspeisen.“

Schnee und Nordlichter

Die Hamburgerin ist wild entschlossen, nichts auszulassen. „Ich bin hier um zu lernen.“ Von Anfang an hat sie sich in den schwedischen Norden verliebt, in die mystische Dunkelheit, den märchenhaften Sternenhimmel, die Nordlichter, die Verzauberung durch den Schnee. Ihre Geschichte erzählt sie entlang der acht Jahreszeiten der Samen.

Die eigenen Grenzen

Da ist viel Platz für besondere Erlebnisse und Erfahrungen. Etwa die des Himmels: „Der Himmel bietet mehr Abwechslung als manch filmüberladener Streamingdienst, solange ihm weder Elektrolichter noch Smog die Show stehlen.“ Für sie wird „Himmelgucken zu meinem liebsten Hobby“. Auf dem Boden bleibt sie trotzdem – auch dank der einheimischen Freunde, die ihr die eigenen Grenzen aufzeigen.

Den Frühling feiern

Auch wenn sie den schneeweißen Winter unter dem Sternenhimmel besonders liebt, kann sie verstehen, warum der Frühlingsanfang für die Menschen in Lappland Grund zum Feiern ist: „Es ist, als würde sich das arktische Leben Anfang Mai mit einer Sause aus Licht, Vogelgesängen und Wasser im Fluss und Überfluss selbst feiern, ein Sieg über Kälte, Dunkelheit und Eis.“

Gespür für Schnee

Es ist teilweise ein sehr persönliches Buch geworden, durchzogen von poetischen Naturbeschreibungen, aber auch mit vielen Einblicken in die samische Lebensweise und Kultur. Zum Thema Schnee zum Beispiel haben die Samen „mehr Wörter als für die Rentierbeschaffenheit“. Und natürlich haben sie auch ein feines Gespür für diesen Schnee, der sie über lange Monate begleitet – zuerst als ainnahas, frisch gefallener Schnee,  dann als Pulverschnee dimádat  oder auch als fieski, eine von Rentieren aufgegrabene Schneedecke.
Bernadette Olderdissen lernt viel in ihrem ersten Jahr in Schwedens Norden, auch ein bisschen Samisch. Und die Lesenden lernen mit ihr. Wäre da nicht die Mückenplage im Sommer, man könnte glatt neidisch werden…

Info  Bernadette Olderidssen. Zwischen ewigem Sommer und tiefster Nacht, Malik, 256 S, 18 Euro, ISBN 978-3-890-29577-0

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