Doris Dörrie auf Heldenreise
Reisebücher , Rezensionen / 30. März 2022

Doris Dörrie ist bekannt als erfolgreiche Regisseurin und Drehbuchautorin.  Aber sie hat sich auch als Schriftstellerin einen Namen gemacht.  Ihr neues Buch heißt „Die Heldin reist“ und beginnt so: „Im Jahr 2019 bin ich in die USA, nach Japan und Marokko gereist. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass es für längere Zeit die letzten Reisen gewesen sein sollten.“ Mythos Heldenreise Auf 240 Seiten beschäftigt  sich Doris Dörrie dann mit dem Mythos der Heldenreise, der bis heute männlich geprägt ist. Was aber ist, wenn Frauen reisen, fragt sich die Autorin. Werden sie auch zu Heldinnen, wenn sie Abenteuer bestanden, Krisen bewältigt haben? Abenteuer und Krisen hat Dörrie bei ihren vielen Reisen so einige bestanden – auch wenn sie sich nicht freiwillig exponiert hat. Sie hat einen Beinahe-Absturz überlebt, Anfeindungen, Belästigungen. „Ich bin nur gereist“ Ist sie deshalb schon eine Heldin? Nein, sagt Dörrie am Ende des Buches: „Ich bin keine Heldin, ich bin nur gereist.“ Und das leidenschaftlich gern. Auch wenn sie so manche Show durchschaut wie etwa in Marrakesch. Der Bucket-List-taugliche Djemaa al Fna ist für sie „eine erschöpfte Inszenierung all dessen, was der Tourist erwartet“. Touristin und Vielreisende Und als Vielreisende weiß sie auch, dass ihre Neugier auf…

Wohnmobilreisen: Vive la France!
Reisebücher , Rezensionen / 30. März 2022

„Frankreich ist ein wunderbares Land zum Reisen“, befindet der britische Reiseautor und Campingbusbesitzer Martin Dorey. Mit dem dicken Buch „Take the Slow Road Frankreich“ tritt er den Beweis für seine These an und stellt 26 Reiserouten kreuz und quer durch Frankreich vor – entlang der Küsten, durch die Berge und in die Städte. Soldaten einst und heute Auch die D-Day-Strände in der Normandie sind dabei, und was Martin Dorey  in einem der Soldatenfriedhöfe durch den Kopf geht, könnte auch heute wieder für die russischen Soldaten in der Ukraine gelten: „Die meisten Männer, die in Nordfrankreich begraben liegen, waren weit weg von zu Hause. Viele folgten nur ihrer Einberufung, kämpften widerwillig und hatten sicherlich Angst.“ Pfadfinder für Wohnmobilisten Doch Martin  Dorey ist kein Kriegsreporter, sondern ein „Pfadfinder“ im wörtlichen Sinn, auch wenn es Straßen sind, die er findet, Straßen für Wohnmobile und Campingbusse. Und da wird er überall in Frankreich fündig. Ob an der Loire, wo ihn und seine Begleiterin die Schlösser faszinieren, in der Champagne, wo die beiden auch den edlen Tropfen schlürfen, in der Provence, wo sie die Lavendelfelder auf Fotos einfangen, oder in der Dordogne, wo sie die Nachbildung der Höhle von Lascaux bewundern: Frankreichs Schönheit überrascht und…

Die Odyssee der Kreuzfahrt
Reisebücher , Rezensionen / 30. März 2022

Die Kreuzfahrt hat turbulente Zeiten hinter sich.  „Ein Meteorit hat unsere Branche getroffen“, zitiert Franz Neumeier in seinem Buch Jason Liberty, den CEO der Royal Caribbean Group, „und wir haben diesen Einschlag überlebt“. Wie „die Kreuzfahrt auf Grund lief“ und wie der Neustart möglich wurde, das dokumentiert der versierte Kreuzfahrt-Journalist in seinem Buch, das mit dem Titel „Freitag, 13. März 2020“ auf eine fatale Koinzidenz verweist. Kreuzfahrt am Abgrund Für die 200 Seiten hat Neumeier akribisch Fakten und Details zusammengetragen, schließlich ging es 2020 um alles und das, nachdem die Kreuzfahrt Branche mit 2019 eines ihrer erfolgreichsten Jahre abgeschlossen hatte. Die Pandemie traf die Reedereien, die Reiseveranstalter, die Werften. Von heute auf morgen wurde „aus einem Boom ein Abgrund“. Wie schnell das ging, beschreibt der Autor detailreich und spannend, beginnend mit den ersten Corona-Fällen auf der Diamond Princess. Irrfahrten und Shutdown Es folgten Irrfahrten von Kreuzfahrtschiffen mit oder ohne Infizierte an Bord, Schiffs-Stilllegungen, schließlich der Shutdown der Kreuzfahrt weltweit. Das alles weiß man noch in groben Zügen. Doch Neumeier erinnert auch an Tragödien, weil Schiffe mit Tausenden von Menschen an Bord nicht anlanden durften, an die Proteste von Inselbewohnern oder Hafenstädten gegen Kreuzfahrtschiffe und ihre Passagiere. Das liest sich teilweise…

Achtung Fernweh!
Reisebücher , Rezensionen / 22. März 2022

Fernost  ist in diesen Kriegszeiten ferner denn je.  Putins Krieg in der Ukraine zwingt die Airlines zu  – teuren – Umwegen. Aber Träumen wird man auch in diesen düsteren Zeiten noch dürfen – und dabei hilft dieses Buch.  „Es gibt Momente, an die man sich ewig erinnert. Erinnerungen, die einem niemand mehr nehmen kann“, schreibt Alexandra Schels im Vorwort zu dem einladenden Bildband Fernweh Fernost, zu dem der Fotograf Patrick Pichler grandiose Naturaufnahmen und eindrucksvolle Porträts beigesteuert hat. Acht ganz unterschiedlicher fernöstliche Länder haben die beiden bereist – und es sind vor allem die großformatigen Bilder, die das Fernweh nach Fernost triggern. Das Besondere im Fokus Dieser Bildband will nicht zum wiederholten Mal die bekannten Sehenswürdigkeiten dieser Länder ins Bild rücken und schon gar nicht die Politik. Den beiden Reisenden geht es um das Besondere, das Originelle. Wie die Stelzenfischer von Sri Lanka, die auf langen Holzpfählen auf ihre Beute warten. Die Einbein-Fischer vom Inle-See in Myanmar, deren besondere Rudertechnik wie ein Tanz auf dem Wasser wirkt. Oder die Seefrauen auf Koreas Insel der Geheimnisse, Jeju. Die Politik bleibt draußen Wie in Myanmar, das derzeit wieder in einer Militärdiktatur versunken ist, bleibt auch in China die aktuelle Politik außen vor….

Vom Zauber der Berge
Reisebücher , Rezensionen / 10. März 2022

Andreas Lesti liebt die Berge – und die Literatur. Und so hat sich der in Augsburg geborene und in Berlin lebende Journalist und Autor auf den Weg gemacht, in der Schweiz den Zauber zu erforschen, den die Berge dort auf Künstler und Literaten ausübten. Sein Buch „Zauberberge“, zauberhaft aufgemacht mit einem Leineneinband und alten Fotografien vor jedem Kapitel, folgt den Spuren deutscher Dichter und Denker in der Schweiz. Ein Berg an Büchern Lesti hatte sich im ersten Jahr der Pandemie aufgemacht und musste aufgeben. Im Sommer kehrte er zurück. Als erstes stand Davos auf dem Reiseplan. Davos, natürlich, Schauplatz von Thomas Manns „Zauberberg“. Der Roman über einen jungen Mann, „der sieben Jahre nicht mehr wegkam aus den Schweizer Bergen“. So lange hält es Andreas Lesti nicht in der Gebirgsstadt, obwohl er einen ganzen Berg Lektüre dabei hat – neben Thomas Manns Zauberberg auch den weitgehend unbekannte „Zauberlehrling“ von Erich Kästner, Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ oder Theodor Adornos „Minima Moralia“. Das Schicksal der Villa Stein Er wird also viel lesen auf dieser Reise – und sich verzaubern lassen. Die Spurensuche führt ihn in Davos von der Schatzalp zum Waldhotel und ins Medizinische Museum, wo er versucht, dem morbiden Kult um die…

Das Leben an der Raststätte
Reisebücher , Rezensionen / 21. Februar 2022

„Die Raststätte ist Deutschland im Kleinen. Ein Mikro-, ein Makrokosmos“ schreibt Florian Werner in seinem Buch  Die Raststätte. Und diesen Mikrokosmos erkundet er in der Raststätte Garbsen Nord bei Hannover. Nach dem Motto pars pro toto, eine für alle. Kleine Geschichte der Raststätte So erfahren die Lesenden erst einmal jede Menge Interessantes: Dass es in Deutschland 450 Autobahnraststätten gibt und mehr als eine halbe Milliarde Reisende, die dort einkehren. Dass dort Abertausende arbeiten und Heerscharen von Lkw-Fahrern ihre Frei- und Schlafenszeit verbringen. Dass die Geschichte der Raststätten in den 1930er Jahren begann, verbunden mit dem Bau der Reichsautobahnen. Nostalgie im Gästebuch Und warum gerade Garbsen Nord „ein Ort von hinreißender Durchschnittlichkeit“? Weil die 1954 eröffnet Raststätte quasi in der automobilen Mitte Deutschlands liegt. Der Betreiber der Anlage, Autobahngastronom in der dritten Generation, schwelgt im Gespräch mit dem Autor in nostalgischen Erinnerungen, die er auch ledergebunden im Gästebuch vorlegen kann. Das System Sanifair Das hindert Florian Werner nicht, sich kritisch mit dem System Sanifair samt Wertebons auseinanderzusetzen. Und mit Tank & Rast, die etwas 95 Prozent der deutschen Raststätten betreibt und einem internationalen Konsortium gehört – bestehend u.a. aus einem Tochterunternehmen der Allianz, einem kanadischen Pensionsfonds und dem Staatsfonds von Abu…

Das Leben feiern
Reisebücher , Rezensionen / 19. Februar 2022

Andreas Altmann hat viel erlebt in seinem Leben – und viel geschrieben. Wunderbare Reportagen aus aller Welt, kritisch, lebensprall. Denn dieser Reporter war immer mit vollem Einsatz unterwegs – und mit offenen Augen und einem offenen Herzen. Das zeigt die Reportagen-Sammlung „Bloßes Leben“, in der Altmann noch einmal vorführt, wofür er gelobt und bewundert wurde. Der Titel „Bloßes Leben“ verweist auf die Endlichkeit aller materiellen Güter, auf das Existentielle. Vergangene Zeiten Und sollte doch auch zeigen, dass viel Zeit über manche dieser Reportagen hinweg gegangen ist. Längst hat sich die Volksrepublik das aufmüpfige Hongkong radikal einverleibt, hat so mancher Held der Reportagen das Zeitliche gesegnet. Und doch lohnt sich die Lektüre, denn  Andreas Altmann versteht es wie nur wenige, die Lesenden hineinzusaugen in seine Abenteuer, sie unmittelbar mit seinen Erlebnissen zu konfrontieren. Mittendrin im Reporterleben Da findet man sich mitten in der lebensgefährlichen Wallfahrt zum Penis aus Eis im Himalaya oder taucht ein in eine von Kairos „Städte der Toten“, einem Friedhof, der dabei hilft, „etwas vom Leben und Sterben der Menschen“ zu lernen.  Dieser Reporter muss nichts erfinden, um spannende Reportagen zu schreiben. Seine Neugier treibt ihn an, er schreckt vor nichts zurück, nicht vor Krankheit, schon gar nicht…

Reisen und feiern
Reisebücher , Rezensionen / 15. Februar 2022

Celebrate? Feiern? Feierwütige haben‘s schwer in diesen Zeiten: Straßenkarneval in Rio: abgesagt. Rosenmontagszüge am Rhein: abgesagt. Oktoberfest in München: abgesagt. Ja, wo kann man denn da noch feiern? Vielleicht im Sommer mit Karibik-Feeling in England beim Notting Hill Carnival. Oder im Juni bei der Pride in San Francisco, einer schillernd bunten Parade der Lebensfreude. Der Bildband Celebrate! hat jede Menge Anregungen. Feiern in Grün und Orange Auch Nationalfeiertage werden gern ausgiebig gefeiert, zum Beispiel am 17. März der St. Patrick‘s Day. Der irische Nationalheilige sorgt auch dafür, dass Gebäude und Sehenswürdigkeiten in aller Welt an seinem Feiertag grün eingefärbt werden – zur Erinnerung an das dreiblättrige Kleeblatt, mit dem der Heilige die Dreifaltigkeit erklärt haben soll. In den Niederlanden färbt der Königstag am 27. April das ganze Land orange. Die gewohnte Party könnte allerdings wegen Corona etwas bescheidener ausfallen. Feste für alle und alles Auch religiöse Feste haben es in sich. Weltweit bekannt ist die Kumbh Mela in Indien, zu der noch bis Anfang März Millionen Pilger an einen der vier heiligen Orte strömen, in diesem Jahr nach Allahabad. In Spanien wird die Karwoche mit großem Pomp begangen, und im australischen Arnhemland zelebrieren Aborigines ihre Kultur beim jährlichen Garma Festival…

Von der Kunst des Reisens
Reisebücher , Rezensionen / 31. Januar 2022

Mit Kinfolk Travel will der Däne John Burn den Zeitgenossen Reisen als Prozess des bewussten Entdeckens näher bringen. Mehr sehen durch weniger Programm ist seine Devise. In dem schön aufgemachten und reich illustrierten Buch Kinfolk Travel geht es zunächst zu 27 Orten, die von Tourguides vorgestellt werden. Sie alle – Musiker, Fotografen, Architekten, Köche, Galeristen – haben eine besondere Beziehung zu diesen Orten und öffnen den Lesenden „ihr eigenes Universum“. Paris jenseits des Eiffelturms Es fängt schon mit einer Überraschung an: Paris nicht mit Eiffelturm oder Pont Neuf, sondern die postmodernen Wohnanlagen der Vororte aus der Sicht eines Architekten. Und so geht es weiter: Mit einer Modeschöpferin in Dakar, mit einem Autor in den Buchläden von Baltimore, „the city that reads“ (die Stadt, die liest) oder mit einer Restauratorin durch die Museen von Tasmanien „wie Alice im Wunderland zu immer neuen Räumen“. Instagrammability und Souvenirs Bevor die Natur mit Draußen-Abenteuern lockt, sorgen ein paar Essays für Nachdenklichkeit. Es geht um die umstrittene Instagrammability und ihre Folgen, um Souvenirs und den Mythos Authentizität. Wer so reist, wie es Burns und die Mitarbeiter von Kindfolk Travel tun, nimmt die Welt wie sie ist und sucht sich seine eigenen Erlebnisse zum Beispiel mit…

Winterwunderland
Reisebücher , Rezensionen / 24. Januar 2022

Eigentlich ist der Grazer Fotograf Michael Königshofer ja eine Frostbeule, wie er im Vorwort zum beeindruckenden Bildband „Winter im Kühlschrank“ schreibt. Aber die Faszination der Winterwunderländer im Norden Europas ist dann doch größer als die Angst vor der Kälte. Am liebsten ist er allein und zu Fuß unterwegs, aber auch per Anhalter, im Boot, im Bus oder im Helicopter, zwischendurch auch im eigenen Auto. Hauptsache Abenteuer! Black Metal und Naturgewalten Die Vorliebe für Black Metal brachte den jungen Mann nach Norwegen, inzwischen ist es die Landschaft. Doch zu den Naturgewalten Norwegens passt für Königshofer auch heute noch Black Metal. In Island überraschte den Nordland-Liebhaber die „Dichte an Künstlern, wie kaum anderswo auf der Welt“, auf den Faröern der Flughafen in der Größe einer Schulaula. Auch die buchstäbliche Entrücktheit der Dörfer beeindruckte ihn nachhaltig. Edinburgh und Harry Potter Dagegen fühlte er sich in der schottischen Hauptstadt Edinburgh mit ihren „verwinkelten Gässchen und beinahe magisch wirkenden Gemäuer“ wie „in einem Harry-Potter-Film“, und von der Landschaft überwältigt. Auf Grönland geriet er in einen Schneesturm und wunderte sich darüber, dass es dort immer wärmer wurde, je weiter er nach Norden kam. Immer wieder Menschen Gleich zwei Mal bereist der Fotograf Norwegen und Island, um…