Flüsternde Wälder heißt der neue Alpenkrimi von Nicola Förg, der viel über Waldeslust und Waldesfrust erzählt. Die Bauern kämpfen ums Überleben – wie der Wald in Bayern: „Wir verdienen kein Geld mehr mit unserer Milch. Also vermieten wir Ferienwohnungen, aber dann beschweren sich die Gäste, dass die Möbel nicht den alpinen Loungecharakter haben, so, wie sie das letztes Jahr in Südtirol haben… Wir ertrinken in Käferbäumen, kommen kaum nach mit dem Umschneiden. Dann noch der ganze Windbruch. Wir haben echt andere Probleme als waldbaden zu gehen.“ Die Aktualität lässt grüßen In Nicola Förgs Alpenkrimis lässt die Aktualität grüßen. Nur das Corona Virus konnte die journalistisch ausgebildete Krimi-Autorin noch nicht verarbeiten. Aber auch ohne das Virus, das derzeit die Welt in Atem hält, ist ihr neuestes Buch wieder hoch aktuell und spannend. Zwei esoterisch vorbelastete Menschen kommen kurz nacheinander ums Leben. Eine Waldbade-Trainerin wird von einem Bulldog überrollt, ein „Heiler“ wohl bei einem Einbruch erschlagen. Alles sieht ganz einfach aus und ist doch viel komplizierter. Zwei merkwürdige Todesfälle Die Kommissarinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl stoßen bei ihren Ermittlungen auf E-Biker und Detox-Jünger, auf Senioren, die kaum von ihrer Rente leben können, und Freizeitsportler, für die Natur nichts weiteres als eine…
Im Freien fühlt sich Björn Kern am wohlsten. Nahweh nennt der Autor den Drang nach Draußen, das Bedürfnis, in die Natur einzutauchen, die Nacht im Wald zu verbringen. Um diesen Drang zu befriedigen bedarf es keines Flugzeugs und keiner Bahn. „Man muss nur vom Schreibtisch aufstehen, die Haustür aufstoßen und nach draußen gehen.“ Wobei Kern Glück hat mit seiner Exit-Strategie: Björn Kern lebt in einer „brüsken Landschaft“, im Oderbruch in einem „im Verfall begriffenen kleinen Hof“. Hier kann er dem Nahweh nachgeben und immer wieder im Lauf der Jahreszeiten eine Wunderwelt entdecken. Eine Ode an die Nähe „Deutschland als Nation taugt nicht als Sehnsuchtsort“, schreibt er, „wohl aber seine Ränder, seine Brachen, seine Auen, Lüche und Brüche.“ Womöglich ist seine Ode an die Nähe heute in Zeiten des Corona Virus das Buch der Stunde. Denn wenn Europa zum Sperrgebiet mutiert, die Kreuzfahrtschiffe und Hotels zu Quarantänestationen, dann bekommt die nächste Umgebung wieder eine ganz neue Qualität. Wie wäre es, fragt sich Björn Kern in einer schlaflosen Nacht, „wenn alle ihre Häuser verließen und ins Mondlicht drängten, die Sommernacht feierten, und am nächsten Morgen kein Flugzeug mehr ginge, kein Bus und keine Maschine und wie glücklich der volkswirtschaftliche Ausfall alle machen…
Hohe Häuser, das sind in diesem Buch Gebäude auf der Höhe. Und besondere Landschaften stellen Baumeister und Architekten immer wieder vor besondere Herausforderungen. Das gilt vor allem für die Berge. Ihr Formenreichtum, so Nicola Borgmann im Vorwort zu diesem beeindruckenden Bildband, beflügele die Fantasie. Doch die Berge stellten auch die Architekten vor eine schier unlösbare Aufgabe: Jedes Bauwerk mit phänomenalem Ausblick wird auch von weitem gesehen, es prägt die Landschaft und nimmt sich ein Stück Natur. Deshalb gelte es, nur gute Architektur in diese sensible Natur zu stellen. Besondere Architektur an außergewöhnlichen Orten Das Buch will deshalb besondere Architektur an außergewöhnlichen Orten zeigen – moderne ebenso wie traditionelle. Der Gegensatz zwischen oft minimalistischer zeitgenössischer Architektur und traditioneller Alpenbauweise macht den Reiz dieses Bildbandes aus. Das „Anschauungsmaterial“ für Hohe Häuser – Hütten, Hotels, Kapellen und sogar Biwak-Schachteln – ist beeindruckend. Fast sakral wirkt das Innere der supermodernen Berghütte Oberholz im Südtiroler Latemargebirge. In den verglasten Giebeln spiegeln sich die Dolomitengipfel. Mal minimalistisch, mal mit Grandezza Zu den ältesten Berggasthäusern gehört das Aescher, eine der spektakulärsten Jausenstationen der Schweiz, die mittlerweile von Touristen überrannt wird. Auch spektakulär aber ganz zeitgemäß ist die Biwakhütte Gervasutti im Mont-Blanc-Massiv, die röhrenförmig über den Abgrund ragt….
Die Zukunft hat schon begonnen – irgendwann, irgendwie – in diesen Kurzgeschichten von T.C. Boyle. Der Meister der Short Story braucht nur wenige Sätze, um eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen, zu zeigen, wie ohnmächtig wir Menschen der Natur gegenüber sind. „Sind wir nicht Menschen“ ist der Titel dieses Sammelbandes, dem der Amerikaner ein Zitat von Lord Byron voranstellt: „Den Menschen lieb‘ ich, mehr noch die Natur“. Ameisenplage und Wassermangel Und diese Natur ist nicht immer menschenfreundlich, schon gar nicht zu Zeiten des Klimawandels. Eine Ameisenplage verdirbt einer jungen Familie die Freude am neuen Haus: „Sie waren überall, diese Ameisen, sie brachen sich in winzigen Wellen an unseren Sandalen, krochen in die Zehenzwischenräume und krabbelten, sobald wir unseren Sohn berührten, in rasender Geschwindigkeit an unseren Händen und Armen hinauf.“ Jahrelange Dürre lässt auch die Liebe eines Paares verdorren: „Wir stritten endlos über die banalsten Kleinigkeiten – wer das letzte saubere Handtuch genommen hatte oder wer das Spülwasser nutzlos in den Abfluss hatte laufen lassen.“ Wiedererleben statt leben T. C. Boyle ist ein genauer Beobachter, ein hellsichtiger Zeitgenosse und ein grandioser Erzähler. Die über Jahrhunderte unterjochte Natur schlägt zurück – in Gestalt eines Tigers, der im Zoo aus seinem Käfig ausbricht. Und…
Der Subkontinent ist nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde und wohl auch das rätselhafteste. Wie viele Reisende ist auch der Schwede Per J. Andersson der Faszination Indiens erlegen: „Ich bin wie besessen davon, den westlichen Lesern Indiens ungeheure Vielfalt von widersprüchlichen Eindrücken zu beschreiben“, notiert er im Vorwort zu seinem Buch „Vom Elefanten, der das Tanzen lernte“. Wie auf einem anderen Planeten Als er das erste Mal in Indien war, fühlte sich der junge Mann wie auf einem anderen Planeten. Danach ist er immer wieder nach Indien zurückgekehrt, obwohl er stets „mit dem Gefühl nach Hause gereist ist, dass ich von dem Land die Schnauze voll habe“. Die Sehnsucht nach dem „anderen Planeten“ ließ ihn nicht los. Und so hat Per J. Andersson Indien erkundet, hat mit reichen und armen Indern gesprochen, war in Bombay und in Bollywood, in Indiens Süden und im Norden des Subkontinents. Ein Land der Widersprüche In seinem Buch beschreibt er nicht nur die unendlichen Widersprüche dieses vielsprachigen Landes mit seinem verwirrenden Götterhimmel, den Kasten und den seltsamen Ritualen. Er schreibt auch über die lange Geschichte Indiens, seine Hochkultur, die englische Kolonisation, den legendären Freiheitskampf unter Mahatma Gandhi und die schmerzhafte Trennung von Pakistan, die…
Noch immer gilt lonely planet als die Bibel für abenteuerlustige Individualisten. Der neue Band „Der Sinn des Reisens“ empfiehlt sich als „deine Bucket List für gutes Reisen“ und enthält tatsächlich einige Tipps für nachhaltige Erlebnisse wie „Im Naturschutz aktiv sein“, „Ohne Plastik reisen“ oder „Ein Land zu Fuß durchqueren“. Auch lonely planet preist die Wirksamkeit von Waldbaden oder feiert Wasser als „pure Lebensfreude“. Denn schon die Nähe zu Wasser kann sogar „Zerbrochenes heilen“, wie der Meeresbiologe Wallace Nichols in seinem Buch „Blue Mind“ verkündet. Dorfleben und Sternenhimmel Empfohlen werden auch Reisen, bei denen man an einem Ort verweilt und womöglich ins Dorfleben eintauchen kann oder Übernachtungen unterm Sternenhimmel etwa beim Wüstencamping in Namibia. „Das Universum füttert unsere Seele – ganz umsonst“ heißt es dazu – wenn man denn die Reise nach Namibia oder in den Himalaya nicht dazu rechnet. Auch sonst wundert sich der geneigte Leser manchmal, zum Beispiel, wenn „Reisen im eigenen Land“ als Beitrag zum Umweltschutz gelobt werden und man dazu Tipps für Trips in den USA, Australien und Schottland findet. Aber das liegt halt daran, dass dieser Sammelband von lonely planet auf der englischen Ausgabe „Travel Goals 2019“ fußt. Kraftplätze und Pilgerziele Natürlich finden aufmerksame Leser trotzdem…
Der Defekt ist am Anfang nur für sie spürbar. Aber Vetko scheint mehr zu wissen als andere. Sie müsse sich fügen, sagt der seltsame Junge zu Mina. 16 Jahre ist sie alt, als sie dem 18-jährigen Einzelgänger näher kommt. Da erschießt Vetko seinen Hund vor ihren Augen. Mina ist schockiert – und fasziniert. Und ganz allmählich erkennt sie, dass sie anders ist als ihre Mitschüler, anders als ihre beste Freundin und ihre Eltern. Leona Stahlmann beschreibt in ihrem Roman Der Defekt die Suche Minas nach ihrer Identität, nach dem, was sie befriedigt. Erinnerung in Narben und blauen Flecken Es ist etwas anderes als normaler Geschlechtsverkehr, das weiß sie. Und es ist etwas, das sie immer wieder erleben will. Ein Einverständnis, das zwei Menschen zu einer Einheit schmiedet. Und Vetko gibt den Takt vor: „Mit jeder Narbe, jedem blauen Fleck kannst du die Zeit dehnen,“ sagte er zum Abschied. „Wie lang dauert durchschnittlicher Sex, fünfzehn Minuten? Wir hören nie auf damit, solang unsere Körper sich erinnern, eine Narbe von mir auf dir, und du wirst noch in zehn Jahren mit mir schlafen, wenn du sie ansiehst.“ Süchtig nach Gehorsam Mina weiß, dass sie und Vetko Grenzen überschreiten – und sie ist…
Holger Karsten Schmidt, der als Gil Ribeiro mit der „Lost in Fuseta“-Krimireihe einen Kommissar mit Asperger-Syndrom nach Portugal schickte, hat für seinen neuen Krimi „Die Toten von Marnow“ ein ganz außergewöhnliches Ermittler-Paar geschaffen, dem es gelingt, trotz so mancher Gesetzesübertretung den Lesern ans Herz zu wachsen. Die Grenzen verwischen, aber diese Rostocker Kommissare haben ihre Gründe für die Grenzüberschreitungen. Private Probleme und deutsch-deutsche Geschichte Da ist Frank Elling, Durchschnittsbürger und Vater einer Tochter, der für seine kapriziöse Frau einen Riesenpool in den Garten bauen lässt und sich dabei finanziell ganz schön übernimmt. Dass sein ganzes Privatleben ins Rutschen gerät, hat aber nicht nur damit zu tun. Und da ist die attraktive aber undurchsichtige Lona Mendt, die in einem Wohnmobil lebt und scheinbar niemanden an sich heranlassen will. Die beiden so unterschiedlichen Menschen ergänzen sich aber gut im Dienst, denn sie können beide ihrer Intuition vertrauen – und sich auf einander verlassen. Das ist besonders wichtig in diesem Fall, der tief in die deutsch-deutsche Geschichte hineinreicht. Was verbindet die Opfer? Daran denkt noch niemand, als der erste Tote gefunden wird. Ein Arbeitsloser, dem der Mörder die Kehle durchgeschnitten hatte. War er auch ein Kinderschänder? Einiges weist darauf hin. Auch eine für…
Die Cazalets ist eine groß angelegte Familiensaga von Elizabeth Jane Howard. Die Autorin hatte ein langes, bewegtes Leben, das sie wohl teilweise auch in ihren Büchern verarbeitete. 1923 in einer wohlhabende Holzhändlerfamilie geboren, fühlte sie sich von der Mutter ungeliebt. Die Ehe der Eltern scheiterte. Nach einem kurzen Versuch, Schauspielerin zu werden, heiratete sie mit 19 Jahren den Naturforscher und Marineoffizier Peter Scott, den sie nach dem Krieg verließ, um Schriftstellerin zu werden. Noch zweimal heiratete sie, auch die Ehe mit dem erfolgreichen Autor Kingsley Amis scheiterte. Elizabeth Howard starb vor sechs Jahren 90-jährig und von der Queen mit den Orden „Commander of the Empire“ geehrt. Und sie hinterließ eine Familiensaga, in der man viel von ihrem Leben wieder findet: Die Cazalets. dtv bringt alle fünf Bände in der Übersetzung von Ursula Wulfekamp heraus, drei Teile sind bereits erschienen: „Die Jahre der Leichtigkeit“, (siehe www.lilo-liest.de/zeitreise-ins-england-der-dreissiger/) „Die Zeit des Wartens“ und „Die stürmischen Jahre“. Frauen spielen die Hauptrolle In allen erweist sich Elizabeth Howard als exzellente Beobachterin, sensible Menschenkennerin und stilsichere Autorin. Für viele irritierend ist wohl, dass ein Großteil ihrer Familienchronik zu Kriegszeiten spielt, vor allem aber von Frauen handelt, von Liebe, Eifersucht, von Kindern und Haushaltssorgen. Und Elisabeth Howard…
Kalt ist es in dieser Fantasy-Geschichte von Nina Blazon, eiskalt zeitweise. Und nur manchmal wird den Lesern warm ums Herz. Dann, wenn es um Freundschaft geht, Zusammenhalt und später auch um Liebe. Aber zunächst ist Mailín, das Mädchen mit der schwarzen Sturmwind-Frisur und dem unbesiegbaren Herzen, allein auf sich gestellt, weil sie ihrer Freundin, der Fremdländerin Silja, zu Hilfe kommen möchte. Silja ist nach einem Fest in Mailíns Dorf spurlos verschwunden. Womöglich ist sie ein Opfer der sagenhaften Eisfischer geworden, die in den Winternächten angeblich Mädchen entführen. Mädchentrio auf gefährlicher Mission Wie im Märchen muss Mailín viele Hindernisse und Gefahren überwinden, bis sie zum Winterkönig in den Palast aus Eis gelangt. Und ohne die Hilfe der schlagkräftigen Elchreiterin Toma und des zarten aber der Zauberei mächtigen Webermädchens Brigida hätte sie Siljas Spur nie gefunden. Doch auch die Raben, denen sie ihren Spitznamen Rabenherz verdankt, sind eine große Hilfe. Und dann begegnet Mailín dem Mann aus ihren Albträumen. Eismund nennt sie ihn, weil er im Eis lag, schön und geheimnisvoll. Bald schon unterstützt Eismund die drei Mädel bei ihrer gefährlichen Suche. Nicht immer freiwillig, denn der Mann aus dem Eis hält wenig von Silja. Und auch Mailín muss erkennen, dass ihre…