Klimawandel und Kuriositäten
Reisebücher , Rezensionen / 28. November 2022

„Kuriose Karten, die Ihre Sicht auf unsere Umwelt verändern“ verspricht Der  Atlas für Naturfreunde. Und im Vorwort erinnert sich Chris Packham daran, das der Atlas für ihn als Kind „die Welt auf Papier“ war. Auch die 100 Karten dieses Atlas zeigen die Welt in ihrer Vielfalt – verstörend wie die zur Auswirkung des Klimawandels, amüsant wie die Karte mit den Hunderassen. Auch Karten aus grauer Vorzeit sind dabei wie „Die Ausbreitung des Menschen und das Aussterben großer Landsäugetiere“. Staaten als Goldgräber Es ist spannend, durch die Seiten zu blättern und über die schön gestalteten Karten auch viel über die Geschichte zu erfahren, zum Beispiel zum Vormarsch der Bauern ab 8000 v. Chr. bis 1850. Oder verdeutlicht zu sehen, welche Länder am meisten Wasser besitzen und welche Staaten die wahren Goldgräber sind. Für die Zukunft nicht uninteressant sind Karten zu Hotspots dieser Erde, die zur künftigen Energieversorgung beitragen könnten. Leichtgewicht Hummelfledermaus China als Rekordhalter beim Knoblauchanbau und beim Gemüse-Verzehr, die USA als Truthahn -Dorado und Brasilien mit den meisten Rindern: Es gibt so einiges zu entdecken auf diesen Karten. Auch im Tierreich, etwa den winzigsten Gecko, der gerade mal 1,6 Zentimeter misst, oder das kleinste Säugetier der Welt, die gerade mal…

Cote d’Azur statt Allgäu
Rezensionen , Romane / 22. November 2022

Klüpfel und Kobr sind ausgewandert – in wärmere Gefilde. Cote d’Azur statt Allgäu. Und den Kluftinger haben sie zurück gelassen. Das  Allgäuer Autorenduo will sich ganz offensichtlich neue Gefilde erschließen. „Die Unverbesserlichen“ heißt der gerade erschienene Roman, wobei der Untertitel mehr verspricht als das Buch hält. Denn „Der grosse Coup des Monsieur Lipaire“ entpuppt sich als Gaunerstück mit glücklichem Ausgang. Lipaire alias Liebherr Tatsächlich hat der Deutsche, der nach dem Scheitern seiner Ehe und seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker, in Port Grimaud an der Cote eine neue Heimat gefunden hat, mehr Glück als Verstand. Guillaume Lipaire nennt er sich, Wilhelm Liebherr hieß er in seiner deutschen Vergangenheit. Aber als Guillaume fühlt er sich französischer als so mancher Franzose, zumal er sich zugute hält, auszusehen wie Alain Delon in seinen späteren Jahren. Sein Geld verdient er als Hausmeister für die Inhaber von Zweitwohnsitzen und -Villen, die er hin und wieder zweckentfremdet und an Touristen vermietet. Kleine Gaunereien Auch der junge Karim, als Wassertaxifahrer unterwegs, nutzt sein Gefährt zwischendurch für private Zwecke. Die beiden verbindet fast eine Vater-Sohn-Beziehung. Und als Lipaire glaubt, einem Schatz auf der Spur zu sein, weiht er Karim ein. Doch es bleibt nicht bei den beiden. Mit Pudel…

Im Labyrinth der Gefühle
Rezensionen , Romane / 22. November 2022

Tania Witte ist in ihrem Büchern immer nah dran am Zeitgeist. Ihr neuer Roman Einfach nur Paul“ macht da keine Ausnahme. Der 16-jährige Paul, der noch dabei ist, seinen Weg zu finden, wird mit einer Entdeckung konfrontiert, die sein bisheriges Leben auf den Kopf stellt. Folgenschwere Entdeckung Eigentlich ist Paul ein normaler 16-Jähriger und verliebt wie so ziemlich alle in seinem Alter. Nur dass seine Freundin Amira asexuell ist, bekümmert ihn. Doch schon bald muss er erfahren, dass das sein geringstes Problem ist. Denn per Zufall entdecken er und seine Schwester, dass er nicht das biologische Kind seiner Eltern sein kann. Und das wirft ihn erstmal komplett aus der Bahn. Warum haben ihm seine Eltern nichts gesagt? Wer ist sein Vater, mit dem er ständig im Clinch liegt, wirklich? Und vor allem: Wer ist seine Mutter, die sie beide verlassen hat? Und warum? Aufschlussreiche Briefe Tania Witte gibt den Lesenden in ihrem Roman durchaus Hinweise, indem sie jedes Kapitel mit einem Brief der Mutter an ihr Kind ergänzt. Und trotzdem stellt die Begegnung der beiden Pauls Welt auf den Kopf. Er macht eine Entdeckung, die zwar alles erklärt, mit der aber niemand gerechnet hat. Was ist das Problem? Am allerwenigsten…

Lesend auf Reisen gehen
Reisebücher , Rezensionen / 22. November 2022

„Wir können nicht ruhig zu Hause sitzen. Das liegt in unserer Natur“, schreibt John McMurtrie im Vorwort zu dem fabelhaften Bildband „In 80 Büchern um die Welt“. Der Lebensweg als Reise hat die Fantasie der Dichter seit Urzeiten beflügelt – von Homers Odyssee bis zur Migration in unserer Zeit. Von Robinson bis Dracula Mit den in dem Band versammelten Büchern dringen die Lesenden „in alle Winkel“ der Erde vor, begleiten Huck Finn auf dem Mississippi, Robinson Crusoe auf seiner Insel, Don Quichotte in der Mancha, Dracula auf seinen blutigen Beutezügen oder Jack Kerouac beim Unterwegssein. Literaturforschende haben die Auswahl zusammengestellt und sich mit dem Reise-Kern der Bücher auseinandergesetzt. Über den Horizont hinaus So gehen die Lesenden nicht nur auf Reisen im Kopf, wozu die zahlreichen Illustrationen einladen – sie erfahren auch viel über die Bücher und ihre Autoren. Über John Steinbeck und „Die Früchte des Zorns“, wo schon Probleme wie Umweltzerstörung, Völkerwanderung und Obdachlosigkeit thematisiert werden. Über Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“ mit der Botschaft „Reisen erweitert den Horizont“. Oder über Yann Martels „Schiffbruch mit Tiger“, eine fantastische Geschichte über Erwachsenwerden, Überbevölkerung und den Konflikt zwischen Mensch und Tier. Entdeckungen im Lehnstuhl Schließlich auch zu Wolfgang…

Lupus Noctis: Spiel mit dem Tod
Rezensionen , Romane / 7. November 2022

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das friedliche Gunzenhausen Schauplatz eines spannenden Thrillers werden könnte? Melissa C. Hill und Anja Stapor sind in Gunzenhausen aufgewachsen und sie haben vor Ort den perfekten Schauplatz für ihren gemeinsamen Erstling „Lupus Noctis“ gefunden – das unterirdische Hilfskrankenhaus. Für Melissa C. Hill „der Stoff, aus dem Alpträume gemacht sind“. Ihr Thriller zeigt, wie aus einem Spiel ein Alptraum werden kann. Sechs Freunde im Bunker Sie sind beste Freunde und freuen sich auf ein gemeinsames Spielabenteuer: Theo, Lena, Jakob, Eileen, Marcel und – neu dabei – Josephine, Theos Nachhilfeschülerin. Das Rollenspiel  Lupus Noctis verspricht diesmal ein ganz besonderes Abenteuer, denn es geht in ein verlassenes Bunkerkrankenhaus in Gunzenhausen. Ein böses Spiel Doch aus dem Spiel um Werwölfe und ihre Opfer wird diesmal blutiger Ernst. Die sechs Jugendlichen müssen bald erkennen, dass es um mehr geht als um eine Kerze als Lebenslicht. Der Schlüssel zum rettenden Ausgang verschwindet, das Licht erlischt. Ist noch jemand mit ihnen unter der Erde? Oder schlimmer noch: Ist jemand unter ihnen, der in diesem bösen Spiel die Fäden zieht? Wechselnde Perspektiven Melissa C. Hill und Anja Stapor lassen in  Lupus Noctis  die Jugendlichen selbst zu Wort kommen. Die beiden Autorinnen haben die…

Erkundung des Jenseits
Reisebücher , Rezensionen / 7. November 2022

Wie kein anderer Monat gemahnt der November die Menschen an die Endlichkeit des Lebens. Von der „letzten Reise“ ist oft die Rede. Wie das Ziel dieser Reise aussehen könnte, darüber haben sich die Menschen immer schon den Kopf zerbrochen. Doch Himmel und Hölle spielten in allen Vorstellungen eine wichtige Rolle. Im Atlas des Teufels  lädt Edward Brooke-Hitching mit fantastischen Illustrationen und ebenso kundigen wie respektlosen Texten zu einer ganz besonderen Reise ein. Reise durch die Höllen der Religionen „Das vorliegende Buch ist ein Atlas des Jenseits, ein Führer in das ‚unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wanderer wiederkehrt‘“, schreibt Edward Brooke- Hitching im Vorwort. Mit dem  Atlas des Teufels  hat sich der Engländer nicht weniger vorgenommen als eine Erkundung des Jenseits. „Wie sind die Orte konkret beschaffen, und wen kann man dort antreffen“, fragt der Autor und nimmt die Lesenden mit auf eine fabelhafte Reise durch die Höllen der Religionen, Philosophien und Künste. Drastische Darstellungen der Höllenstrafen Einfach ist das Ganze nicht, auch wenn die Höllenbilder aus den unterschiedlichsten Kulturen auffallende Ähnlichkeiten haben. Wobei die Jenseits-Vorstellungen oft reichlich bürokratisch daherkamen – mit Abteilungen und Unterabteilungen und strengen Regeln für die Bestrafung der Sündigen oder auch die Belohnung der Seligen. Die…

Die Macht der Flüsse
Kinderbücher , Rezensionen / 31. Oktober 2022

Der Energie-Engpass erhöht den Druck auf die Flüsse, gilt doch Wasserkraft als umweltfreundlich. Doch dabei ist ein sensibler Umgang mit der Ressource Wasser gefragt. Wie wichtig Flüsse für unser Lebensumfeld sind, das zeigt der mehrfach ausgezeichnete Geowissenschaftler Laurence C. Smith in dem ebenso faszinierenden wie alarmierenden Buch „Weltgeschichte der Flüsse“. Kein Überleben ohne Flüsse Heutzutage hätten es Flüsse schwer, ihre Ladung zum Meer zu bringen, heißt es da schon in der Einführung: „Sie gleiten an erstarrten Städten vorbei, werden von Dämmen eingezwängt, von Ingenieuren gedrosselt und von den meisten übersehen. Und dennoch gewinnen die Flüsse die Oberhand. Sie werden uns alle überdauern. Aber ohne sie werden wir nicht überleben.“ Lebensadern, Handelswege, Grenzen Weltreiche entstanden entlang von Flüssen, Weltstädte liegen an Flüssen: Paris an der Seine, London an der Themse, Berlin an der Spree, Kalkutta am Ganges… Schon in grauer Vorzeit waren Flüsse Lebensadern, sie wurden zu Handelswegen, zu Staatsgrenzen, zu Fluchtwegen. Laurence C. Smith beschreibt eindrucksvoll, wie die Kontrolle wichtiger Flüsse Macht zementierte und wie die Flüsse „zur Gestaltung der politischen Geografie Europas und des Nahen Ostens“ beitrugen. Zerstörer und Zerstörte Er schreibt über die politischen Ränke um Mississippi und Jangtse, die Bombardierung des Möhnestausees und ihre Folgen und macht…

Schön zum Gruseln
Reisebücher , Rezensionen / 31. Oktober 2022

Schaurige Welt:  Wenn das nicht das richtige Buch zu Halloween ist! Dieser Bildband mit Gruselfaktor enthält schaurig schöne Bilder von verlassenen Städten, Spukhäusern, Friedhöfen, von unheimlichen Naturphänomenen und dem durch Atombombenversuche zerstörten Inselidyll Mururoa. Lektüre auf eigene Verantwortung, heißt es warnend im Vorwort. Untote und Voodoozauber Es geht schon gleich richtig los mit den Untoten auf Amrum und Sylt, Ertrunkenen, die keine Ruhe finden, bis jemand an sie denkt. Auch die verrottende Pracht des ehemaligen Schlosshotels Waldlust im Schwarzwald wirkt ziemlich gruselig, fast so sehr wie das rumänische Schloss Bran, das sich als Draculas Heimstatt vermarktet oder das Stanley Hotel, das Stephen King zu seinem Roman „Shining“ anregte. Und dann noch der Fetischmarkt Akodessewa in Togo, der weltgrößte Voodoo-Basar für Zauber-Utensilien wie Schimpansenpfoten, vertrocknete Krokodilköpfe, Tier- und Menschenschädel in unterschiedlichsten Stadien der Verwesung. Das will man lieber nicht so genau wissen… Natronsee und Lost Places In sechs Kapiteln erkundet Schaurige Welt  die „dunkle Seite“ und stellt 90 Orte „zum Fürchten und Staunen“ vor. Da dürfen unheimliche Phänomene nicht fehlen wie der Natronsee in Tansania: Wer im See stirbt, heißt es, wird kalzifiziert, erstarrt zu Stein. Auch all die „lost places“, die verlassenen Orte, können ganz schön gruselig sein. Selbst ein…

50 Euro – gut investiert
Reisebücher , Rezensionen / 18. Oktober 2022

„Kann man mit 50 Euro pro Tag die Metropolen dieser Welt erfahren?“ Diese Frage, die sich angesichts der weltweiten Preissteigerungen immer drängender stellt, versucht dieses Polyglott-Buch zu beantworten. Allerdings klärt Christoph Drösser schon im Vorwort darüber auf, dass in der Summe die Übernachtungskosten nicht einbezogen sind. Die 50 Euro beziehen sich also auf den Urlaubstag – vom Morgenkaffee bis zum Absacker am Abend. Dabei ist die ganze Kalkulation natürlich auch abhängig vom Wechselkurs des Euro, der derzeit gegenüber dem Dollar im Sinkflug ist. Tipps  von Insidern Die Vorschläge im knapp 290 Seiten dicken Buch stammen von Autorinnen und Autoren des Vereins „Weltreporter.net“, die aus aller Welt berichten und schon ein paar Jahre in den Ländern leben, aus denen sie berichten. Sie alle teilen ihre Lieblingsgegenden, die sehr unterschiedlich sind und sich oft zu Fuß oder auch mit dem Rad erkunden lassen. Schlemmertour in Bangkok In Amsterdam klappt das schon für 45,88 Euro inklusive Fahrrad-Miete und bester Aussicht vom schiefen Dach des Nemo. In Bangkok ist bei 47,20 Euro fast schon eine Gourmet-Schlemmertour drin, sogar mit Cocktail und Taxi. In Edinburgh muss man mit 54,10 Euro schon tiefer in die Tasche greifen, kommt dafür aber umsonst ins National Museum of Scotland…

Das Leben ein Programm?
Rezensionen , Romane / 11. Oktober 2022

Der in Deutschland eher unbekannte französische Schriftsteller Hervé Le Tellier wurde 2020 mit dem renommierten Prix Goncourt ausgezeichnet. Dank des Romans „Die Anomalie“, der inzwischen auch auf Deutsch erschienen ist. Eine Reihe von Personen Das Buch beginnt eher verwirrend als spektakulär. Kapitelweise treten Personen auf, als erster der Profikiller Blake. Dann auch der erfolglose Schriftsteller Victor Miesel, der in seinem Abschiedsbrief am Wert seiner Existenz zweifelt. Auch die attraktive Lucie, eine alleinerziehende Mutter tritt auf, der todkranke David oder die kleine Sophia. Das Jahrhundert-Unwetter Es wäre gut, wenn die Lesenden diese Porträts für die folgenden Seiten im Gedächtnis behielten. Denn all diese Menschen fliegen am 10. März 2021 von Paris nach New York. Nichts Besonderes heutzutage. Doch ein Jahrhundert- Unwetter verändert alles, auch wenn die Passagiere bei der Landung in den USA erst einmal nur froh sind überlebt zu haben und in ihren Alltag zurückkehren. Doppelte Identitäten Sie können ja nicht wissen, dass sich das Flugzeug während des Unwetters verdoppelt hat. Aus unerfindlichen Gründen fliegt die Zwillingsmaschine erst im Juni den Airport an und wird wegen der anomalen Auffälligkeiten auf eine Militärbasis umgeleitet. Schnell wird klar, dass sowohl Flieger als auch Insassen identisch mit der im März gelandeten Maschine sind….