Buwaldas tollkühne Höllenfahrt
Rezensionen / 23. Juni 2021

Otmars Söhne – das sind Dolf, das Wunderkind, und Dolf, der Sohn seiner zweiten Frau, der alsbald in Ludwig umgetauft wird. „Otmars Söhne“ ist auch der Titel des ersten Teils einer Romantrilogie von Peter Buwalda. Ein 600 Seiten starker, wuchtiger Einstieg, an dessen Ende völlig unklar ist, wie es mit Otmars Söhnen weitergeht. Der Stiefsohn und die Wunderkinder Stiefsohn Ludwig jedenfalls hat Glück mit Otmar, der stundenlang mit ihm Flugzeuge zusammenbastelt. Die beiden anderen Kinder, Dolf und Tosca, beides musikalische Genies, haben weniger Glück. Sie werden auf Erfolg programmiert. Mit dem arroganten Dolf kann Ludwig wenig anfangen, näher fühlt er sich der aufmüpfigen Tosca, die unbewusst seinen jugendlichen Sextrieb stimuliert. Dass er später an vorzeitigem Samenerguss leidet, macht seine Beziehung zu Frauen schwierig. Verlogene Lebenskonstrukte In der eher reizlosen Juliette glaubt er, endlich eine Partnerin fürs Leben gefunden zu haben. Doch das Konstrukt dieser Ehe ist ebenso verlogen wie Ludwigs Engagement beim Energieriesen Shell. Als er auf er russischen Halbinsel Sachalin auf den skrupellosen aber charismatischen Johan Tromp, CEO von Sakhalin Energy, stößt, ist er überzeugt davon, seinen leiblichen Vater gefunden zu haben. Ein Manager unter Verdacht Von der wölfischen Macht des Managers ist Ludwig abgestoßen und fasziniert zugleich. Da…

Weltenbummler unter Segeln
Rezensionen / 22. Juni 2021

Die große Freiheit lockt viele Weltumsegler ebenso wie der Traum vom Segeln. „Jede Weltumseglung ist eine Liebesgeschichte“, schreibt Kristina Müller im Vorwort zu dem Buch „Freiheit auf Zeit“. Dafür hat sie mit zwölf Weltumseglern gesprochen, mit Paaren, Soloseglern und einer Familie, mit Alten und Jungen. Sparen auf das ganz große Abenteuer Es sind keine Profisegler, auch keine Superreichen, sondern Menschen, die sich ihren Traum vom Segeln viel haben kosten lassen. Manche haben sich ihre Yacht buchstäblich vom Mund abgespart, andere haben Wohnung oder Haus dafür verkauft, wollten den ganz großen Ausstieg wagen. Ein Weltumsegler hat eine ganze Zahnarztpraxis an Bord, wo er die Menschen in der Südsee behandelt, ein anderer hat ein Projekt gegen die Verschmutzung der Meere ins Lebens gerufen. Unterwegs auf unterschiedlichen Yachten So unterschiedlich wie die Menschen und ihre Motive sind auch die Yachten, die sie durch die Welt getragen haben. Manche konnten sich nur ältere Segelboote leisten und schraubten selbst an ihrem Traumschiff, andere gönnten sich eine der weltweit schönsten Yachten, der Zahnarzt im Unruhestand schwört auf seinen Katamaran, und der Einhandsegler versenkte am Ende schweren Herzens sein Boot. „Fidel zu versenken war wie einen guten Freund zu ermorden“, gesteht er. Auf für Weltumsegler ist die…

Urlaub im Pott
Rezensionen / 17. Juni 2021

Das Ruhrgebiet klingt eigentlich nicht nach Urlaub. Dass die Gegend aber sehr wohl eine Reise wert ist, beweisen Alexander und Friederike Richter in ihrem Reiseführer Ruhrgebiet. Einiges kennt man ja auch als Nicht-Ruhrpottler: Die Zeche Zollverein etwa, die gigantische Villa Hügel der Familie Krupp, Starlight Express in Bochum, den Innenhafen in Duisburg, das Gasometer in Oberhausen… Schlösser und ein tamilischer Tempel Doch wer hätte gedacht, dass das Ruhrgebiet neben der Ruhr auch jede Menge Seen hat, dass es hier neben der Villa Hügel auch Schlösser gibt? Und viel Kultur dazu? In Unna sogar eine Festa Italiana und in Uentrop den größten tamilischen Tempel Europas? Haldenhopping und Indoor-Tauchen Die beiden Autoren lieben das Ruhrgebiet in seiner ganzen Vielfalt, und diese Liebe kommt auch in ihrem Reiseführer zum Ausdruck, angefangen bei dem kurzen Exkurs ins „Ruhrdeutsch“ über das durchaus interessante Kapitel „Ruhrgebiet ‚für umsonst‘“ und die Zwei-Tage-Tour „Haldenhopping“ bis zum „größten Indoor-Tauchgewässer in Europa“, dem Tauchgasometer in Duisburg und dem Aquarius Wassermuseum in Mülheim, das über „alle Aspekte des Wassers informiert“ oder das Wasserschloss Lembeck, eines der größten im Münsterland. Partnerstadt Wuhan Und wer weiß denn schon, dass das berühmt-berüchtigte Wuhan die Partnerstadt von Duisburg ist und der Chinagarten im Zoo ein…

Brunetti: Jubiläum in Melancholie
Rezensionen / 17. Juni 2021

Es gilt mal wieder ein Jubiläum zu feiern: Donna Leons Commissario Brunetti löst seinen 30. Fall. „Flüchtiges Begehren“ ist der Titel des neuen Romans, in dem Brunetti die Leser wieder mitnimmt auf seine Streifzüge durch Venedig. Unschönes in Venedig Mehr als sonst ist der Commissario von Melancholie geplagt. Vielleicht weil er es mit zwei jungen Männern zu tun hat, die ihn an seinen Sohn erinnern. Vielleicht aber auch, weil er all der Missetaten und unschönen Entwicklungen überdrüssig ist, die ihm in seinen langen Dienstjahren begegneten und die ihm das Leben in Venedig verleiden: Massentourismus und Umweltverschmutzung, korrupte Politiker und mafiöse Strukturen. Vieles scheint auserzählt Nicht einmal die geliebte Familie kann den Commissario so recht aufheitern. Und der schönen und smarten Signorina Elettra gönnt er kaum einen Blick. Wie die Familie gehört sie zum lieb gewonnenen Personal der Romane. Vieles scheint auserzählt in dieser Folge wie die Launen des dumm-arroganten Vorgesetzten Patta oder auch die Kochkünste der intelligenten Ehefrau Paolo. Griffoni und die Frauen-Power Dass Donna Leon mit der schönen Neapolitanerin Claudia Griffoni eine neue Figur eingeführt hat, spricht allerdings gegen die Annahme, die Amerikanerin könnte ihre erfolgreiche Krimi-Serie beenden. In diesem Fall, in dem es anfangs nur um einen schrecklichen…

Schwarzwald kinderleicht
Rezensionen / 31. Mai 2021

Der Schwarzwald ist auch in diesen Zeiten ein beliebtes Ziel für Familien . „Wir brauchen keine Fernseher, keine Play Station, keinen Erlebnispark, keine wie auch immer gearteten Fahrzeuge, nur unsere beiden Füße. Und einen Weg.“ Marcel Gisler lädt in dem Büchlein ErlebnisWandern mit Kindern dazu ein, den südlichen Schwarzwald nicht nur Kinder- sondern auch Umwelt freundlich zu entdecken, deshalb ist bei den Tourenprofilen auch immer die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln angegeben. Eine Tour, keine Tortur Und damit die Kinder auch Spaß am Wandern haben, empfiehlt der Autor, „prinzipiell her mehr Zeit für die Strecke einzurechnen, damit die Tour keine Tortur wird“. In den Rucksack gehöre neben der Brotzeit, dem Getränk und Wechselkleidung auch ein Müllbeutel – schon aus Rücksicht auf die Natur, klärt Gisler auf und rät dazu, mögliche Highlights wie eine Barfußpfad, eine Burg oder einen Vogelpark mit einzuplanen.  Denn kleine Wanderfreunde brauchten Abwechslung. Dazu gehöre neben den nötigen Pausen auch das Sammeln von allerlei Kleinigkeiten am Wegesrand. Mit Vierjährigen zum Wasserfall Und dann kann‘s losgehen. Schon für Vierjährige geeignet findet der Autor den Wanderlehrpfad im Sulzbachtal, auch die Wanderung zu den Triberger Wasserfällen könnte schon den Kleinsten Spaß machen. Ab sechs Jahren lassen sich, so Gisler, schon etwas…

Leben im Beton
Rezensionen / 25. Mai 2021

Julia Rothenburg… „findet eine reduzierte, prägnante, musikalische Sprache für die beschädigten Existenzen ihres dritten Romans“ heißt es in der Begründung der Jury für den „Bayern2-Wortspiele-Preis“, den die junge Autorin gerade für „Mond über Beton“ erhalten hat. Im Zentrum des Romans, in dem der Mond eher selten zu sehen ist, steht das „Neue Zentrum Kreuzberg“ (NZK) am Kottbusser Tor in Berlin. Die Bewohner im Blick Der zwölfstöckige Hochhausriegel aus den 1980er Jahren hat auch in letzter Zeit immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Julia Rothenburg hat das zum Anlass genommen, genauer hinzuschauen, wie die Bewohner in dem heruntergekommenen Gebäudekomplex leben. Wie sie mit Säufern, Junkies und Obdachlosen zurecht kommen, die sich rund um den Betonklotz breit gemacht haben. Der Kotti-Kosmos Der Türke Mutlu und seine mutterlosen Söhne, seine schöne aber überforderte Nichte Aylin, die beiden Deutschen Marianne und Günter, Überlebende der Besetzer-Szene, die einsame Witwe Stanca mit ihrem Hund und der verwirrte Obdachlose Ario – sie stehen für den Kotti-Kosmos. Doch über allem thront das Zentrum aus Beton. Riss in der Realität Der Autorin gelingt es auf verblüffende Weise, diesen Beton lebendig werden zu lassen – mit Klagen über die ständige Vernachlässigung und einer späten Rache. So entsteht ein Riss in…

Deutsche Wildnis
Rezensionen / 25. Mai 2021

Alexandra Schlüter lädt in dem Buch Auszeit Deutschland  dazu ein, „die Weite im eigenen Land“ zu entdecken und sich bewusst auf den Weg zu machen. 60 Touren hat sie zusammengestellt – zwischen Bergen und Meer, zwischen Höllentalklamm und Hiddensee.  Auch wenn sich Europa wohl bald wieder öffnet,  bleibt Deutschland wohl auch in diesem Jahr das Lieblings-Urlaubsland der Deutschen.  Und dann ist man froh um gute Tipps. Von der Hallig bis zum Chiemsee Drei Tage hat sie etwa auf der Hallig Langeneß verbracht, sich von Sturmfluten erzählen lassen und in der einsamen Landschaft das Zeitgefühl verloren. Einen Tag war sie im Kajak auf dem Chiemsee unterwegs, hat Herren- und Frauenchiemsee erkundet und vor der unbewohnten Krautinsel auch das Seewasser. Bekanntes und Unbekanntes Es sind nicht wirkliche Geheimtipps, die in dieser Auszeit Deutschland zu Naturerlebnissen und Mikroabenteuern verlocken. Die Burgenwanderung am Rhein, die Saarschleife oder die Eifelmaare sind ebenso bekannt wie der Chiemsee oder auch der Heidschnuckenweg. Wer dahin will, sollte sich nicht gerade in der Hochsaison auf den Weg machen. Weniger problematisch ist es vielleicht im Schwarzwassertal im Erzgebirge oder bei der Landpartie im Wendland. Ziemlich allein Auch beim Wandern „über Acht Tausender“ im Bayerischen Wald könnte man zeitweise zumindest relativ…

Vergewaltigt
Rezensionen / 21. Mai 2021

„Warum hast du nicht geschrien?“ fragte die Freundin, der Sophie Hardcastle von der Vergewaltigung durch ihren Freund erzählte. „Warum hast du nicht geschrien?“ fragt auch einer der Mitsegler auf dem Boot, nachdem Olivia verstört auftaucht. „Unter Deck“ so der Titel des Romans greift diese oft gestellte Frage auf und beantwortet sie auch. Was hätte es genutzt, wenn sie geschrien hätte, denkt Oli. Unter Deck hätte sie keiner gehört. Und wie ihr bleibt sexuell bedrängten Frauen oft der Schrei im Hals stecken. Dem Meer verfallen Olivia, die schon von ihrem Freund Adam gegen ihren Willen zum Sex „verführt“ worden war und sich dann von ihm trennte, hätte es eigentlich besser wissen müssen. Doch nach einer überaus harmonischen Erfahrung mit dem alten Mac und seiner charismatischen Freundin Maggie auf See, ist sie der Magie des Meeres verfallen und kommt vom Segeln nicht mehr los. Deshalb heuert sie auch auf dem Segelschiff von Vlad und seinen Kumpanen an. Fünf Männer und eine Frau Alle auf den ersten Blick ziemlich sympathisch, ja attraktiv. Vor allem von AJ fühlt sich Olivia angezogen, auch wenn es Cam ist, der ihr ganz offen Avancen macht. Nach einer gemeinsamen Nachtwache passiert es dann: AJ nimmt sich, was er…

München auf der Zunge
Rezensionen / 21. Mai 2021

Jetzt ist es soweit: München öffnet, und nicht nur die Gastronomen freuen sich. Doch wohin zuerst? Da kommt Hannelore Fisgus mit ihrem Buch über Münchens Gastroszene gerade recht. Aus rund 2700 gastronomischen Betrieben in der bayerischen Landeshauptstadt hat die Rundfunk-Journalistin zwei Dutzend herausgesucht, die mehr bieten als Weißwürste, Wurstsalat & Co. Appetitlicher Genuss-Streifzug Natürlich spielt bei dem Genuss-Streifzug, den Ingolf Hatz appetitlich in Szene gesetzt hat, auch typisch Bayerisches wie Leberkäs eine Rolle. Dazu gibt‘s sogar ein Rezept zum Selbermachen. Und ohne Brezen geht gar nichts, in diesem Fall kommen sie aus der Hofbräuhaus-Kunstmühle und werden noch von Hand geschlungen. Aber Fisgus geht auch mit der Zeit: Aus dem Bodhi im Multi-Kulti-Viertel Westend kommen die Rezepte für Tofu-Bratlinge oder eine vegane Quiche und aus der Senioren-Backstube Kuchentratsch ein veganer Rote-Bete-Schoko-Kuchen. München von früh bis spät Bei ihrer Suche nach Münchner Schmankerln war Fisgus emsig unterwegs – in Hinterhöfen und auf dem Viktualienmarkt, im Schlachthof und in Brauereien, in Hotspots und in der Vorstadt. 40 Rezepte hat die begeisterte Hobbyköchin dabei zusammengetragen und außergewöhnliche Menschen porträtiert. Los geht‘s mit dem Frühstück im „Franzosenviertel“ beim Bio-Bäcker und nach getaner Arbeit lockt das Kubaschewski am Stachus zu „Schampus und Schmarrn“. Ramen-Suppe und Prinzregententorte…

Mehr Pfützen braucht das Land
Rezensionen / 11. Mai 2021

„Noch ist es für unsere Heimat Natur nicht zu spät“, resümiert Jan Haft am Ende des ersten Kapitels seines gleichnamigen Buches. Der Natur- und Tierfilmer will die Leser wieder das Staunen über die Mannigfaltigkeit der Natur lehren – angefangen bei den kleinsten und unscheinbarsten Lebewesen. Wie dem Lumbricus badensis, dem badischen Riesenregenwurm, der bis zu einem halben Meter lang wird. Oder der Apornectodea Smaragdina, dem smaragdgrünen Regenwurm. Auch die langbeinigen Weberknechte weiß der Naturliebhaber zu schätzen. Zubetonierte Landschaft Umso größer ist sein Kummer über die bedrohte Natur – ob in Wald oder Feld, in Flusslandschaften oder in den Meeren. Auf den Feldern und Feldwegen registriert er einen ökologischen Niedergang als Folge von Herbiziden. Maisäcker bedrohen den Lebensraum Fluss ebenso wie Begradigungen, eine „unvorstellbare Misshandlung unserer Flüsse“. Darüber hinaus „werden jeden Tag etwa 80 Hektar Landschaft zubetoniert“. Kaum mehr ursprüngliche Natur Und im Wald dominieren Monokulturen und Plantagen – eine leichte Beute für Schädlinge oder Windbruch. Dabei hat schon 1713 der Oberberghauptmann Carl von Carlowitz eine nachhaltige Nutzung der Wälder gefordert: Für jeden gefällten Baum sollte in neuer nachgepflanzt werden. Der Erfolg lässt bis heute auf sich warten, weiß Jan Haft: „Es wurde abgeholzt, was der Wald hergab.“ Auch deshalb haben…