Die Magie der Berge
Rezensionen / 4. August 2019

Von der Magie der Berge erzählt Eugen E. Hüsler in seinem „Buch der magischen Orte in den Alpen“.  Von der Schönheit eines Sonnenaufgangs im Gebirge ist da ebenso die Rede wie vom Ursprung der Wallfahrten, von Eremiten und den Urgewalten der Natur, die Täler und Seen schufen. Früher glaubten die Menschen, die Berge seien Sitz der Götter: Der Olymp etwa oder der Kailash. Und in den Höhlen und Klammen hausten für unsere Altvorderen Teufel oder andere Schreckgestalten. Heute verweisen wir solche Gedanken in die Welt der Sagen und Legenden. Die Berge sind zum Sportplatz geworden Die Gletscher sind auf dem Rückzug, Feen und Zwerge bevölkern nur mehr die Märchen – die Berge sind vielfach zum Spiel- und Sportplatz für Freizeitaktivitäten geworden. Aber ganz entzaubert sind sie bis heute nicht. Noch heute wandern die Menschen auf dem Ifen über den Gottesacker und erzählen sich die Sage von der verwunschen Alm, deren hartherzige Senner einen alten Bettler verjagten, worauf der Alte sie verfluchte und der Boden Mensch und Tier verschlang. Ähnliches erzählt man sich in Österreich über die Alm unter dem Glunzeger. Auch hier traf der Fluch eines Alten zwei hartherzige Burschen. Die Legende vom Heiligen Blut Es war wohl die monumentale…

Rafik Schami und der Kardinal in Olivenöl
Rezensionen / 2. August 2019

Ein Fass mit der in Olivenöl eingelegten Leiche eines von Rom nach Syrien entsandten Kardinals wird bei der italienischen Botschaft in Damaskus abgeliefert. Wer hat den geistlichen Würdenträger ermordet? Und was hatte er in Syrien zu suchen? Das soll Kommissar Barudi, der kurz vor der Pensionierung steht, herausfinden. Das Plot klingt nach Krimi, doch der Autor Rafik Schami ist ein enthusiastischer Erzähler. Und so ist „Die geheime Mission des Kardinals“, die am Vorabend des Bürgerkriegs in Syrien spielt, weit mehr als ein üblicher Kriminalroman. Syrien am Rande des Zusammenbruchs Sie ist auch und vor allem ein Porträt der syrischen Gesellschaft am Rande des Zusammenbruchs. Denn Barudi bekommt es bei seinen Ermittlungen mit korrupten Geistlichen ebenso zu tun wie mit dem allgegenwärtigen Geheimdienst, der auch das Polizeipräsidium verwanzt hat, und hinter dem – natürlich – der allgegenwärtige Präsident steht: „Es ist seltsam, dachte Barudi, man macht das Radio an und hört den Präsidenten, man macht den Fernsehen an und sieht den Präsidenten, und wenn man alles ausschaltet, um in den Himmel zu sehen, dann zieht ein kleines Flugzeug einen dreißig Meter langen Spruch des Präsidenten durch die Luft. Die Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften klatschen dem Leser dessen grinsendes Bild ins…

Duca Lambertis letzer Fall
Rezensionen / 31. Juli 2019

Er gilt als der Vater des italienischen Kriminalromans und hat selbst ein Leben hinter sich, das wie ein Roman war: Giorgio Scerbanenco, 1911 als Sohn eines Ukrainers und einer Italienerin in Kiew geboren und 1969 in Mailand gestorben, hat mit Duca Lamberti einen vom Leben gebeutelten Ermittler geschaffen, der seine Fälle nicht selten gegen den Widerstand seiner Kollegen bei der Polizei aufklärt. Die Grenzen der Aufklärung Immer wieder öffnet Lamberti die Büchse der Pandora, bringt Verdrängtes und Vergessenes an den Tag. Es geht um gesellschaftliche Schieflagen, um Ausgrenzung und menschliche Grausamkeit und vor allem um das Warum. Und da stößt der studierte Mediziner Lamberti, der wegen Sterbehilfe im Gefängnis saß, immer wieder an seine Grenzen. Auch im vierten Buch der Lamberti-Serie: „Duca Lamberti war also in den Viale Tunisia gekommen, um die scheußlichste, abstoßendste, widerwärtigste Aufgabe wahrzunehmen, die einem Polizisten widerfahren kann: nämlich einen Vater zu bitten, den geschundenen Leichnam seiner Tochter auf einem kalten Marmortisch des Leichenschauhauses zu identifizieren.“ Der Ermittler war nicht schnell genug Amanzio Berzaghis schöne aber geistig zurückgebliebene Tochter Donatella war auf unerklärliche Weise aus der väterlichen Wohnung verschwunden und Duca Lamberti war es nicht gelungen, die junge Frau lebend zu finden. Ihre Mörder waren schneller….

Leben mit dem Tod
Rezensionen / 30. Juli 2019

Alexandra Friedmann  macht in ihrem Roman „Sterben für Anfänger“ einen Außenseiter zum Helden: Raffael Shulman, genannt Rafik, ist das, was man gemeinhin ein Muttersöhnchen nennt. Der Sohn jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, hat als Achtjähriger seinen Vater verloren und seither versäumt sich von der gluckenhaften Mutter und der übergriffigen Großmutter abzunabeln. Schließlich, so sagen sie immer, leben sie nur für ihn: „Sie meinen es wirklich gut. Wenn sie mich damit nur nicht so in den Wahnsinn treiben würden. Nichts ist umsonst auf dieser Welt, weder mein neues Handy noch sonst irgendwas. Nicht einmal Mamas bedingungslose Liebe.“ Die Frau mit dem „Urknallhaar“ Auch als Student hat er nur einen einzigen Freund, den umschwärmten Aljoscha. Sein eigenes Liebesleben aber liegt brach. Denn die schöne Rebekka will nichts von ihm wissen. Doch dann beginnt Rafik gegen den Willen von Mutter und Großmutter ein Praktikum in einem Hospiz. Hier lernt er die todkranke aber leidenschaftliche Charlotte kennen, die Frau mit dem roten „Urknallhaar“. Was macht es, dass dieses Haar eine Perücke ist? Und dass Charlotte doppelt so alt ist wie Rafik? Mit dieser Frau erfährt der junge Mann erstmals, was Leben heißt, und er kommt sich selbst näher, so nahe, dass er beinahe…

Viel Neuland im Osten
Rezensionen / 30. Juli 2019

Eigentlich hat sie was ganz anderes gemacht, war einmal Managerin, aber das Reisen mit der Kamera macht Julia Finkernagel soviel Spaß, dass sie auch so manche Unbequemlichkeit dafür in Kauf nimmt. Für den Mitteldeutschen Rundfunk mdr zog sie mit ihrem Kameramann Michael „Ostwärts“, in Länder, die noch nicht vom Overtourism heimgesucht sind, nach Polen, in die Slowakei, nach Bulgarien, Russland, Kirgistan, Georgien, Tadschikistan, Usbekistan und in die Mongolei. Eintauchen in Neuland Und sie traf in den oft bitterarmen Ländern nicht nur auf sympathische Menschen, sondern entdeckte auch jede Menge interessanter Kultur- und Naturschätze. Dass sie hin und wieder übers Ohr gehauen wurde, geschenkt. Da ist Julia Finkernagel nicht nachtragend. Ihr geht es darum, in Neuland einzutauchen. Dafür verzichtet sie gerne auf so manche Privilegien, die ihr als emanzipierter Frau und Filmerin zustünden, weswegen sie sich im Buch immer wieder an Hardcore-Feministinnen wendet, die ob dem Standing der Frauen in den besuchten Ländern die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden. Emanzipation Nebensache Doch die Ostwärts-Reisende will erfahren, nicht belehren. Julia Finkernagel lässt sich sogar überreden, in Kirgistan die Rolle einer „Schwiegertochter“ zu übernehmen. Fazit: Viel Arbeit, nichts zu melden. Trotzdem sieht sie die bereisten Länder und ihre Reisebegleiter mit viel Sympathie….

Ostwärts in Richtung Balkan
Rezensionen / 27. Juli 2019

Die weißen Flecken auf der Landkarte werden immer weniger. Aber ostwärts tun sich frische Urlaubsdestinationen auf – mit den Ländern des Balkan. Das sind nicht nur die Staaten des ehemaligen Jugoslawien, sondern auch Albanien, Nordmazedonien, Bulgarien und Rumänien. Vom Donaudelta bis zum Durmitor-Nationalpark Schon länger sind die kroatischen Inseln oder die bulgarische Schwarzmeerküste feste Bestandteile in den Veranstalterkatalogen. Aber im Südosten gibt es jenseits der bekannten Ziele noch einiges zu entdecken: Unberührte Natur im rumänischen Donaudelta etwa, der Durmitor-Nationalpark in Montenegro, die Bergseen im bulgarischen Pirin-Gebirge oder das nordmazedonische Mijaken-Dorf Galicnik. Der Bildband „Unbekanntes Europa“ entführt zu den schönsten Zielen auf dem Balkan. So richtig unbekannt sind die wenigsten Ziele Wobei der Titel etwas irreführend ist, denn zumindest in Kroatien sind die meisten Ziele wie Porec, Opatjia oder die Plitvicer Seen doch schon länger bekannt, und Dubrovnik stöhnt schon jetzt unter einem Zuviel an Touristen. Wer hier Urlaub macht, wird sich kaum als Entdecker fühlen können. Anders sieht es schon in Bosnien Herzegowina aus, wo die meisten zwar Sarajewo kennen aber eher nicht das Städtchen Jajce, einst Sitz der Herrscher im Königreich Bosnien oder das Derwischkloster Blagaj. Und Serbien? Da ist Belgrad schon lange kein Geheimtipp mehr, auch die Klösterroute,…

Brunetti und die letzten Dinge des Lebens
Rezensionen / 3. Juli 2019

Donna Leon ist inzwischen 76, und sie lebt schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Venedig. Wie alt ihr Commissario Guido Brunetti ist, weiß man nicht so recht. Auf jeden Fall löst er in diesem Buch seinen 28. Fall. Aber in der Familie Brunetti und im Polizeipräsidium scheint die Zeit still zu stehen. Die Kinder leben immer noch zu Hause, der Vize-Questore ist immer noch kein einfacher Vorgesetzter und die schöne Signorina Elettra ein hilfreicher Engel mit digitaler Allwissenheit. Es geht um Väter und Söhne Und doch ist etwas anders in diesem Krimi mit dem Titel „Ein Sohn ist uns gegeben“. Es geht um Väter und Söhne, leibliche und angenommene und vor allem darum, dass ein Freund von Brunettis adligem Schwiegervater vor einer Dummheit bewahrt werden soll: Der alternde Gonzalo Rodriguez de Tejeda will seinen jungen Liebhaber adoptieren und zum Alleinerben einsetzen. Das Szenario nutzt Donna Leon für einen – nostalgischen  – Blick zurück in die Vergangenheit des Conte und seiner Freunde. Der schwule Spanier Gonzalo war von seinem Vater verstoßen worden, er hatte in Lateinamerika ein Vermögen gemacht und dort auch Freunde gefunden. In seiner Wahlheimat Venedig wurde der distinguierte Spanier auch zum Vertrauten Brunettis und seiner Familie –…

Küchenlatein aus dem Orient
Rezensionen / 3. Juli 2019

Florian Harms ist einer Versuchung erlegen. Mit einer ziemlich haarsträubenden Geschichte um die Jagd auf den besten Geschmack der Welt hat sich der ehemalige Spiegel-online- und derzeitige T-online-Chef als Krimi-Autor versucht und ist dabei wohl seinen eigenen Ambitionen zum Opfer gefallen. Der Journalist wollte nicht nur einen „kulinarisch gewürzten Reisekrimi“ schreiben, sondern die Leser auch über verschiedene Ebenen mit dem Alltag im Orient vertraut machen. Den hat Harms schon vor 16 Jahren für das Buch „Kulinarisches Arabien“ erkundet. Zuviel der Metaphern Der geheimnisvolle Geschmacksstoff, für den im Buch gemordet wird, könne als Metapher für das Erdöl verstanden werden, nach dem der Westen regelrecht süchtig ist, verriet der Autor in einem Gespräch mit „Meedia“, und der mordende Geheimorden als Metapher für islamisch-fundamentalistische Organisationen. Es könnten einige Metaphern zuviel sein, denn trotz eines ehrgeizig aufgebauten Spannungsbogens verzettelt sich der Geschichtenerzähler in Details und macht es seinen Lesern schwer, ihm durch unterschiedliche Perspektiven und Zeiten zu folgen. Hin und wieder geht auch der Journalist mit dem Autor durch, dann lesen sich Passagen wie eine gut recherchierte Reportage. Über die skandalöse Unersättlichkeit der Lebensmittelindustrie, über den ungesunden Aromen-Cocktail in vielen Nahrungsmitteln oder auch über die Politik im Nahen Osten. Lose Erzählfäden und ein roter…

Südengland: Mini-Ponys und Hexenmuseum
Rezensionen / 3. Juli 2019

Noch ist Großbritannien in der EU, das gilt auch für die großen Sommerferien, für die sich Südengland als Ziel anbietet. Cornwall und Devon locken mit traumhaften Stränden, angenehmen Temperaturen, romantischen Dörfern und zauberhaften Landschaften zwischen Meer und Moor. Familienurlaub „at its best“, findet die Journalistin Antje Gerstenecker, die mit ihren zwei Kindern immer wieder gerne in Englands Süden reist und von jeder Reise neue Tipps mitbringt. In dem Büchlein „Ab in die Ferien: Cornwall und Devon“ verspricht sie „74x Urlaubsspaß für die ganze Familie“, und das ist nicht zu viel versprochen. Tipps für Groß und Klein Schon in den Eingangskapiteln spürt man, dass Antje Gerstenecker weiß, wovon sie schreibt, und dieses Gefühl verstärkt sich noch bei den liebevoll präsentierten Tipps, die viel Rücksicht auf kindliche Präferenzen legen aber auch die Erwachsenen berücksichtigen. „Was Sie trotz Kindern gesehen haben sollten“ lautet ein Kapitel. Hier findet sich auch die Jamaica Inn im Bodmin Moor, die nicht nur mit jeder Menge Spukgeschichten, sondern auch mit einem kleinen Daphne-du-Maurier-Museum aufwartet. Wer in Devon unterwegs ist, kommt an dem Fischerdorf Clovelly nicht vorbei, das mit seinen steilen Gassen Maler und Schriftsteller inspiriert hat. Und dann wäre da das kleine Theater auf dem Gelände einer ehemaligen…

Die Via Appia unter den Füßen
Rezensionen / 3. Juli 2019

Paolo Rumiz ist Italiens emsigster Reiseschriftsteller, und er scheut keine Mühen. Für ein Buch hat er im Leuchtturm gewohnt, für ein anderes war er auf dem Po unterwegs. Doch was er und seine Reisefreunde bei der Wiederentdeckung der antiken Via Appia erlebt haben, hätte er sich nicht träumen lassen. Über 612 Kilometer gingen sie über die legendäre Römerstraße von Rom aus nach Brindisi. Jahrhunderte der Vernachlässigung Doch Jahrhunderte der Vernachlässigung haben die Appia beinahe aus dem Gedächtnis gelöscht: „Das ist ihre letzte Metamorphose,“ schreibt Rumiz, als er schon beinahe am Ziel ist und die Via Appia „im Hochofen des Stahlwerks“ gelandet ist. „Sie war Müllhalde, Tangente, Pipeline, Viehtrift, Weizenfeld. Jetzt ist sie Höllenfeuer.“  Der Schriftsteller  kann und will seinen Frust über die Ignoranz der italienischen Behörden nicht verleugnen, immer wieder hält er ihnen vor, was sie in ihrer Unwissenheit zerstört haben. Er ärgert sich über die stinkende Koake am Fuß der Felsenstadt Matera, immerhin Europäische Kulturhauptstadt 2019. Er trauert um die verlorenen Chancen des Südens, der zur Beute der Mafia zu werden droht, betrachtet besorgt die leeren Gehöfte und die Gespensterburgen und wütet gegen die gigantischen Windräder in der Basilikata, „das letzte Meisterwerk der Zerstörung“. Der Luxus, als erster über…