Rund um den Ammersee
Reisebücher , Rezensionen / 2. Juni 2022

Nicht nur das Neun-Euro-Ticket lädt dazu ein, die Schönheiten vor der eigenen Haustür oder zumindest im eigenen Land neu oder wieder zu entdecken. Carmen Rohrbach, die vielgereiste Reisebuch-Autorin, zeigt in ihrem Buch „Mein Ammersee“, wie es geht. Sie macht sich einfach auf den Weg, zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit der Bahn oder auch mit dem Schiff. Und dabei entdeckt sie den See, an dem sie lebt, immer wieder neu – im Verlauf der Jahreszeiten etwa, oder bei einer See-Umrundung. Freude an der  Natur Der studierten Biologin liegt natürlich die Natur am Herzen, das spürt man auch in diesem Buch. Sie lässt die Lesenden teilhaben an ihrer Freude über den Gesang der Vögel und das Aufblühen der Natur, nimmt sie mit zu ausgedehnten Spaziergängen, aber auch zu Gesprächen mit Fischern, Keramik-Künstlern, Geistlichen und Geschichtskennern, zu Festen, in Parks, Klöster und Kirchen. Lachmöwen und Dreikant-Muscheln Und obwohl Carmen Rohrbach sehr viel über ihr eigenes Be- und Empfinden schreibt, erfährt man in dem Buch jede Menge Interessantes. Dass die Lachmöwe deshalb so heißt, weil sie gern in Lachen (seichten Gewässern) brütet, etwa. Dass die eingewanderten Dreikant-Muscheln zum ersten Mal 1994 am See entdeckt wurden und seither die einheimischen Muscheln verdrängt haben. Wie…

Inselglück auf den Färöern
Reisebücher , Rezensionen / 25. April 2022

Die Färöer, 18 sturmumbrauste Inseln im Norden zwischen Schottland und Island. Wikingerinseln, auf denen der Alltag zum Abenteuer wird. Zumindest für Anja Mazuhn, die ihren glamourösen Job als Klatschkolumnistin in High Heels gegen ein Leben in Gummistiefeln eingetauscht hat. Bereut hat sie es nicht. Denn auf den Inseln hat sie gefunden, was ihr im Berliner Trubel gefehlt hat – Zeit für sich selbst und den Sinn des Lebens. Hymne auf die Inselwelt Ihr Buch „Meine wilden Inseln“ ist eine Hymne auf die Natur, die auf den Färöern alles andere als lieblich ist. Doch genau das gefällt den Berlin-Aussteigern. Wie Anja Mazuhn fühlt sich auch ihr Mann schnell heimisch in dem Haus in Elduvik, das die beiden kurz entschlossen gekauft haben. Auch wenn der Sturm ums Dach braust und hin und wieder Schafe an die Tür klopfen, wenn die See hohe Wellen schlägt und der Regen die Bäume peitscht, fühlen sich die beiden angekommen in ihrem neuen Leben. Nachbarn werden Freunde Auch dank der freundlichen Nachbarn, die bald zu Freunden werden und die Neuankömmlinge für den Alltag auf den Färöern fit machen. Denn ganz einfach ist die Umstellung von der Klatschreporterin zur Schaf-Friseurin nicht. Doch die Autorin nimmt alle Herausforderungen an,…

Abenteuerlust und Forscherdrang
Kinderbücher , Rezensionen / 10. Dezember 2021

Bald sind Weihnachtsferien, und dann sind die Tage oft lang.  Lesen hilft nicht nur gegen Langeweile.  Bücher können Anstoß dafür sein, sich zu engagieren.  Sie können aufklären, anregen, unterhalten.  Bücher sind die reinsten Wundertüten,  wenn man sie richtig nutzt.  Und diese Bücher machen neugierigen Kindern und kleinen Leseratten nicht nur an Weihnachten Freude. Das Neinhorn und die Schlangeweile Das Neinhorn von Marc Uwe Kling hat schon jetzt jede Menge kleine Fans. Denn wer kann besser nachvollziehen, wie lustig Neinsagen ist als Kinder? Jetzt gibt es ein neues Abenteuer, in dem zu den vier Freunden NEINhorn, KönigsDochter, WASbär und NahUND die SchLANGEWEILE dazukommt. Auch eine Vertreterin einer Stimmung, die Kinder gut kennen. Wem ist denn nicht mal langweilig? Vor allem in Corona-Zeiten? Doch wozu gibt es Freunde? Gemeinsam ist das Leben gleich viel lustiger – auch für die SchLANGEWEILE. Astrid Henn hat das Abenteuer wieder lustig in Szene gesetzt und sogar eine mehrseitige Panoramaweltsicht dazu gezeichnet. Und für alle, die sich doch mal wieder langweilen, nachdem sie das Bilderbuch mehrmals gelesen haben, gibt es am Ende wieder ein witziges Rätsel mit vertauschten Tieren und dazu noch das „Schleiterspiel“. Da ist mindestens ein vergnüglicher Nachmittag garantiert. Info  Marc-Uwe Kling/Astrid Henn. Das NEINhorn…

Der Weg ist das Ziel
Rezensionen / 10. August 2021

Das Gehen hat Torbjorn Ekelund erst für sich entdeckt, nachdem er wegen einer Epilepsie-Diagnose nicht mehr mit dem Auto fahren durfte. Doch seither ist der Norweger mit zunehmender Begeisterung nur noch zu Fuß unterwegs – manchmal mit geschlossenen Augen und immer öfter auch barfuß. Gedanken beim Gehen Das Gehen hat ihm die Augen geöffnet, nicht nur für die Schönheit der Natur, auch für die Geschichte des Landes und für neue Gedankenwelten. Denn Ekelund ist überzeugt davon, dass Gehen das Denken befördert. In seinem Buch zitiert er denn auch Philosophen, Dichter, Denker und – Weitwanderer. Er macht sich Gedanken über die Metapher „Weg“, die in allen Religionen zu finden ist. Pilgerreisen und Traumpfade Weltweit machen sich Pilger auf den Weg, ob Hinduisten, Muslims oder Christen. Mit dem Regisseur Werner Herzog ist er der Meinung, dass sich die Welt denjenigen offenbart, die zu Fuß gehen. Torbjorn Ekelund erinnert sich an die „Traumpfade“ der Aborigines in Australien, die Bruce Chatwin beschreibt. Es sind die „songlines“ einer von den Ahnen besungenen mythischen Landkarte. Der Weg der Kindheit Gehen, das erkennt der Norweger immer mehr, spielt in der menschlichen Geschichte eine Hauptrolle. Schließlich waren die Altvorderen Nomaden. Und sie kannten ihre Wege so wie er…

Saudis, Sahra und Shams
Rezensionen / 9. Februar 2021

Saudi-Arabien ist nicht gerade ein Land, das man mit Couchsurfing verbinden würde – schon gar nicht nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Kashoggi. Aber Stephan Orth, der unerschrockene Couchsufer, war dort und hat hinter den Vorhang geschaut. Er hat viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft erfahren – von Männern. Er hat Frauen getroffen, die sich über die neuen Freiheiten, die ihnen Mohammed bin Salman (MBS) beschert, freuen. Und Männer, die damit ihre Probleme haben. Die Liebe zu Kamelen Er war in der Wüste unterwegs, hat Ausgrabungsstätten besucht und abgelegene Dörfer, er war in Shopping Malls und auf Märkten, und er hat sich in Kamele verliebt. Deshalb lässt er die Leser auch teilhaben an seinem Wissen über diese genügsamen Tiere, die im Land nicht nur der Fortbewegung dienen sondern auch dem Status – Liebeserklärung inklusive: „Ich liebe Kamele. Wer sich ein bisschen mit ihnen beschäftigt, merkt zwangsläufig, dass sie zu den wundervollsten Tieren der Welt zählen. Sie können sechzig Kilometer Strecke bei fünfzig Grad Celsius zurücklegen, 500 Kilo Gepäck schleppen, drei Wochen ohne Wasser auskommen und vier Wochen ohne Nahrung… Kamele sind Leistungssportler und Faulpelze, sanftmütig und Respekt einflößend, gesellig und eigensinnig.“ Blick hinter die Fassade Es gibt noch vieles in dem bislang…

Episoden aus der Reisewelt
Rezensionen / 1. Februar 2021

Travel Episodes sind Berichte aus einer anderen Welt, aus der Welt der Weitreisenden, der Weltwanderer. Die Autoren sind ganz unterschiedliche Menschen, junge und ältere, Frauen und Männer. Aber eines eint sie: Sie wollen raus, Abenteuer erleben. Das muss nicht einmal in der Ferne oder auf hohen Bergen sein. Manchmal wartet das Abenteuer auch vor der Haustür, zum Beispiel, wenn man von einer langen Reise zurückkommt und das Alte nicht wieder erkennt. Verlassen der Komfortzone Doch meistens geht es auch in diesen Travel Episodes, von Johannes Klaus wieder kundig ausgewählt, um die Konfrontation mit dem Anderen, dem Fremden, um das Verlassen der Komfortzone und die Konfrontation mit dem eigenen Ich. Am Amazonas wird für Lisa und Julia Hermes „die Entbehrung plötzlich eine Freundin, die Sehnsucht eine Beraterin und die Melancholie eine Verbündete“. Sie erinnert sich, warum sie das alles macht. „Es ist diese Grenzerfahrung, die mir etwas Ungesehenes zeigt… Sie öffnet mir die Welt als solche, befreit mich von Vorurteilen und Angst, weist mir neue Wege. Plötzlich scheint alles möglich.“ Lektüre für Fernweh-Kranke Das stimmt für unsere von der Corona-Pandemie überschattete Welt zwar gerade nicht. Dafür sind diese Episoden eine willkommene Lektüre für Fernweh-Kranke. Sie stillen zwar nicht die Sehnsucht nach…

Deutsche Nächte
Rezensionen / 3. August 2020

Overtourism brauchte Dirk Liesemer nicht zu füchten, nicht einmal rund um Neuschwanstein – auch wenn er nicht in Corona-Zeiten unterwegs war. Denn nachts sind nicht nur alle Katzen grau, sondern auch nur wenige Menschen unterwegs. Das gilt für den Süden Deutschlands genauso wie für den Norden. Auf seinen Streifzügen durch die Dunkelheit ist Liesemer kaum Menschen begegnet, aber er hat erfahren „wie sehr uns Menschen die Nacht abhanden gekommen ist“. Das gilt vor allem für die Städte, gegen deren Dauerbeleuchtung der Sternenhimmel kaum ankommt. Spinnen, Sagen, Sommersonnenwende Dirk Liesemer hat seine nächtlichen Ausflüge im winterlichen Füssen begonnen und im herbstlichen Schwarzwald beendet. Er hat Sternen- und Spinnenforscher getroffen, Sagensammler und Astronomiefotografen, Jäger und Insektenforscher, Ornithologen und Künstler. Er hat unterm Sternenhimmel geschlafen, ist durch die Nacht geradelt, hat im Dunkeln Wälder und Moore durchwandert und die Sommersonnenwende zusammen mit Schamanen erlebt. In der Einsamkeit hat er sich an die Träume seiner Kindheit erinnert, an alte Geschichten und alte Lieder. Zwischen Angst und Euphorie Er hat Ängste ausgestanden und Momente voller Euphorie erlebt. An all diesen Erlebnissen lässt Dirk Liesemer die Leser teilhaben, er nimmt sie nicht nur mit auf seine Streifzüge, sondern auch in seine Gedankenwelt. Und er macht ihnen…

Weitwandern als Lebensinhalt
Rezensionen / 9. Juni 2020

Unter 1000 Kilometer fängt Christine Thürmer „erst gar nicht an“. Deutschlands wohl bekannteste Weitwanderin ist überzeugt davon, dass man sich quälen muss, um echte Glücksgefühle zu erleben. „Weitwandern wird Sie lehren, Ihren Körper zu lieben. Es wird Ihnen Zukunftsängste nehmen und Freiheit schenken… Es wird Sie zu einem glücklicheren Menschen machen.“ Wie das funktionieren soll, davon handelt Thürmers neuestes Buch „Weite Wege wandern“, in dem sie Erfahrungen aus ihrer Weitwanderer-Karriere und ihrem minimalistischen Lebensstil großzügig weiter gibt. Sogar der Löffel hat Löcher Alle Besitztümer der ehemaligen Managerin passen unterwegs in einen kleinen Rucksack und wiegen gerade mal knapp sechs Kilogramm. Beim Weitwandern wird an allem gespart, was unnötiges Gewicht verursacht. „Bei mir hat sogar der Löffel Löcher“, verrät Thürmer. Immer dabei: Ein Zelt, eine Isomatte, eine Art Schlafsack, ein Satz Wechselkleidung und Kochutensilien. Groß dürfen da die Ansprüche nicht sein. Das gilt auch fürs Budget: Zehn Euro pro Tag veranschlagt die Vielgewanderte fürs Essen aus dem Supermarkt, hinzu kommen 300 Euro im Monat für ein „kleines Verwöhnprogramm“ und 250 Euro für Beförderung und unerwartete Ausgaben. Insgesamt nicht mehr als 1000 Euro. Keine Frage des Alters Die Entscheidung fürs Weitwandern ist ihrer Erfahrung nach keine Frage des Geldes auch keine Frage…

Rüdiger Nehberg, der Menschenfreund
Rezensionen / 7. April 2020

Rüdiger Nehberg, der am 1. April im Alter von 84 Jahren gestorben ist, wurde zu Unrecht auf das Image eines „Käferfressers“ und Überlebenskünstlers reduziert.  Er war Globetrotter, Abenteurer, und vor allem Menschenrechtsaktivist.  Und er hat ein Buch hinterlassen, das sein Leben erzählt: „Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen“. Im Tretboot über den Atlantik Natürlich erzählt er auch da von seinen vielfältigen Abenteuern, davon, wie er den blauen Nil befahren hat, in einem Tretboot und im Einbaum den Atlantik überquert hat und wie er mehrfach dem Tod um Haaresbreite entkommen ist. Doch wichtig ist dem gelernten Bäcker und Konditor im Rückblick auch Dankbarkeit für das, was er auf seiner extensiven Suche nach dem Leben erfahren durfte: „Momente, die mir einmal mehr das Glück bewusst machen, ausgerechnet in Nordeuropa zu leben, in all dem Wohlstand, dem gemäßigten Klima, der Demokratie, der Pressefreiheit, den Bildungsmöglichkeiten, des Friedens, des gemeinsamen Europas. Paradiesische Zustände, wie noch keiner unserer Vorfahren sie erleben durfte. Und ich verspüre die Verpflichtung, davon abzugeben an die, die unter solch erbärmlichen Umständen ihr Dasein fristen müssen.“ Ein Kämpfer für die Menschenrechte Rüdiger Nehberg hat nicht nur abgegeben, er hat auch gekämpft: Für die Rechte der Yanomami im Amazonasgebiet und später gegen…

In den Wohnzimmern von China
Rezensionen / 1. April 2019

„So chinesisch hatte ich mir China nicht vorgestellt,“ schreibt Stephan Orth, nachdem er bei einer Familie eingeladen war – zum Hund-Essen. Der Journalist ist mal wieder als Couchsurfer unterwegs gewesen. Das kann er inzwischen richtig gut, weil er weiß, wo er interessante Leute trifft und wo es wirklich was zu erzählen gibt. Denn Orth reist nicht im Selfie-Modus, dafür ist er viel zu sehr Journalist. Er reist mit offenen Augen und Ohren und einem Gespür für Willkür und Ungerechtigkeit. Zwangsbeglückung in Kashgar In Kashgar etwa erfährt er von einer Perversion seiner Art zu reisen: „Staatlich angeordnet kommen Propagandisten und potenzielle Denunzianten ins eigene Haus,“ notiert Stephan Orth über die Zwangsbeglückung der Uiguren durch den Hausbesuch von Han-Chinesen, und stellt ironisch fest: „Da haben die Leute bestimmt eine Superzeit zusammen.“ Die lückenlose Überwachung scheint dem Globetrotter nicht nur in der Heimat der Uiguren beängstigend. Auch sonst erfährt er immer wieder von Einschränkungen und Einschüchterungen. Pressefreiheit existiert nicht, da liegt China auf Platz 176 von 180 Ländern, noch 30 Plätze hinter Russland. Hyper-moderne Städte, abgelegene Dörfer Doch die Diktatur kann auch Erfolge vorweisen: China ist hyper-modern, manche Städte sehen aus wie in einem Science-Fiction-Film. Für Altes dagegen hat man wenig Sinn, es…